Statten Sie Graz Ihren ersten Besuch ab, wenn Sie am Montag bei einem Gesprächskonzert des Musikvereins für Steiermark auftreten?

DOMINIQUE MEYER: Nein, ich war schon in Graz und habe den "Rosenkavalier", die "Meistersinger" und die "Frau ohne Schatten" gesehen. Es war wunderbar, die Oper ist schön und ich mag meine Kollegin Elisabeth Sobotka. Sie ist eine sehr begabte Intendantin und hat Zukunft.

Warum bringen Sie zu Ihrem Auftritt in der "amabile"-Reihe die Sopranistin Anita Hartig und den Bassbariton Adam Plachetka mit?

MEYER: Ich will zeigen, dass die Staatsoper die Zukunft pflegt. Das sind zwei Vertreter einer wunderbaren Generation junger Sänger, die sehr begabt sind und für mich das Ensemble des Hauses personifizieren.

Ihren Abend könnte man auch als Werbung für die Wiener Staatsoper betrachten. Wie viel Geld geben Sie für Werbung aus?

MEYER: Nichts. Außer den Abendplakaten machen wir in der Stadt nur ab und zu Werbung für unsere Ballettaufführungen. Die Auslastung liegt ja bei 99 Prozent.

Können Sie daher beim Spielplan mehr Risiko eingehen?

MEYER: Man verlangt von uns nicht Risiko, sondern einen Ausgleich zwischen den verschiedenen Fächern im Repertoire.

Ihren beiden nächsten Premieren, "Aus einem Totenhaus" von Janáek und "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Weill, dürften kaum Kassenhits sein?

MEYER: In jeder Spielzeit möchte ich ein paar Stücke anbieten, die man an der Staatsoper noch nie gespielt hat, wie zum Beispiel auch Donizettis "Anna Bolena". Janáek ist ein wichtiger Komponist des 20. Jahrhunderts, dessen Werke überall in der Welt gefeiert werden. Irgendwann sind die Leute reif, um etwas zu akzeptieren - man muss Geduld haben.

Gibt es beim Publikum Unterschiede zwischen Paris und Wien?

MEYER: Sehr große. Wien ist viel mehr auf Musik fokussiert als Paris, wo es immer noch 450, 500 Kinos gibt und man bei großen Ausstellungen mehrere Stunden lang Schlange stehen muss.

Haben die Opernbesucher andere Vorlieben?

MEYER: In den letzten Jahren ist die Oper in Paris viel wichtiger geworden, wobei das Repertoire breiter ist. Oper ist aber, anders als in Wien, kein Heiligtum.

Sind Ihre im Styria-Verlag veröffentlichten Memoiren auch in Frankreich erschienen?

MEYER: Nein, das würde keinen Menschen interessieren.

In Wien sind die Inszenierungen französischer Regisseure nicht durchwegs mit Begeisterung aufgenommen worden.

MEYER: Die zwei Mozart-Inszenierungen von Jean-Louis Martinoty, "Figaro" und "Don Giovanni", sind vielleicht auch deshalb kritisiert worden, weil sie aus dem Ausland gekommen sind.

Jetzt haben in Wien mit "La Traviata" und "Aus einem Totenhaus" Koproduktionen Premiere, die zuvor schon in Aix-en-Provence respektive Zürich zu sehen waren.

MEYER: Ich werde das weiterhin machen, denn man darf die finanzielle Krise nicht ignorieren. Seit 15 Jahren ist die Subvention gleich hoch geblieben. Mit dem Geld, das wir bei Koproduktionen einsparen, können wir das Repertoire pflegen, das mir sehr wichtig ist. Wir betreuen und renovieren ständig die Ausstattungen existierender Produktionen.

Um welche Summen handelt es sich da?

MEYER: Die "La Traviata", die sehr erfolgreich war, hat uns 200.000 Euro gekostet, eine eigene Neuproduktion würde eine Million Euro kosten. Die Renovierung alter Bühnenbilder kann 100.000 Euro oder auch das Doppelte kosten.

Wer ist in Ihnen stärker, der Wirtschaftsexperte oder der künstlerische Leiter?

MEYER: Sie arbeiten gut zusammen.

Wo sehen Sie die größten Lücken im Wiener Repertoire?

MEYER: Bei Mozart - wir haben keine "Entführung" und keinen "Idomeneo".

Und die Barockoper?

MEYER: In der nächsten Saison wird es wieder eine geben.

Wie weit ist Ihre Planung schon fortgeschritten?

MEYER: Bis 2015 sind alle Premieren entschieden, jetzt machen wir die Spielzeit 2014/15 fertig.

Bis wann müsste Ihre Vertragsverlängerung entschieden sein, damit Sie einen eben so großen Planungsspielraum haben wie Ihr Kollege an der Met in New York?

MEYER: Nächstes Jahr, aber ich habe schon die Erlaubnis bekommen, ein paar Sachen für die Spielzeit 2015/16 zu planen.

Sie wollen also in Wien bleiben?

MEYER: Das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Wir sind noch nicht so weit. Ich bin natürlich glücklich darüber bin, dass die Frau Minister gesagt hat, dass Sie meinen Vertrag verlängern will.

Dominique Meyer im Gesprächskonzert mit Michael Nemeth: 21. November, 19.45 Uhr, Kammermusiksaal im Grazer Congress. Karten: Tel. (0 31 6) 82 24 55.