Nach außen war er ein ganzer Kerl: Großwildjäger, Kriegsteilnehmer, Reporter und Hochseeangler, vor dem keine Bar und keine Frau sicher war. Tatsächlich litt er unter Depressionen und Selbstzweifeln: Ernest Hemingway war einer der Giganten der Literatur des 20. Jahrhunderts, zugleich aber auch ein Fall wie aus dem Psychologie-Lehrbuch. Heute vor 50 Jahren beging der Nobelpreisträger Selbstmord durch Kopfschuss.

Rein materiell ging es dem kleinen Ernest Miller Hemingway prächtig. Am 21. Juli 1899 in einem Vorort von Chicago geboren, bekam der Arztsohn von seinem Elternhaus Sicherheit und Bildung. Zum Unmut der Eltern wird er Reporter in Kansas und zieht dann gar als Ambulanzfahrer in den Ersten Weltkrieg. Nach schwerer Verwundung in Italien und enttäuschter Liebe kehrt er zurück - und schreibt weiter. Erst Geschichtchen für die Zeitung, dann spannende Reportagen, schließlich Romane.

Mit "Fiesta" gelingt ihm 1926 der Durchbruch. Von dem Buch ist vor allem die Stierhatz in Pamplona in Erinnerung. Doch in erster Linie dreht sich der Roman um das Leben der Pariser Künstler, das großteils in den Cafés stattfand. Eine Hauptfigur war in Kansas Zeitungsschreiber, ging dann als Ambulanzfahrer nach Italien und wurde schwer verwundet - und impotent. Die biografischen Parallelen sind nicht zu übersehen. Aber Hemingway, der groß gewachsene, breitschultrige Lebemann, impotent?

Zerbrechlichkeit

Er war es nicht, zumindest nicht dauerhaft, schließlich stammen aus den ersten beiden seiner vier Ehen fünf Kinder. Doch Freunden war bald klar, wie zerbrechlich dieser Mann war. Hemingway blieb stets ein Getriebener. Alkohol sollte helfen und machte alles nur schlimmer.

Immerhin, 1950 nannte ihn die "New York Times" den "wichtigsten Schriftsteller seit William Shakespeare". Vier Jahre später bekam er den Literaturnobelpreis. Heute ist der Blick kritischer, so ganz passt Hemingway nicht mehr ins 21. Jahrhundert: "Zusammen mit anderen Macho-Schriftstellern wie Jack London, Irwin Shaw und Norman Mailer ist sein Werk aus der Mode gekommen", schrieb Maureen Dowd, wieder in der "New York Times". Aus den Lehrplänen, in denen "multikulturell korrektere, wenn auch nicht immer so talentierte" Autoren gepflegt würden, sei er "rausgeschmissen worden".

Als Hemingway 29 Jahre alt war, beging sein Vater Selbstmord. Diese Last begleitete ihn ein Leben lang, zusammen mit Depressionen, Erfolgsdruck, Alkohol. Behandelt wurde das damals mit Elektroschocks. Hinzu kam eine Paranoia: Hemingway hatte sich mit dem kubanischen Revolutionsführer Fidel Castro eingelassen, dessen Grausamkeiten aber stets ausgeblendet. In seinen letzten Lebensjahren war er nun überzeugt, dass das FBI jeden seiner Schritte überwache.

Im Frühjahr 1961 fand Mary, seine vierte Frau, Hemingway morgens mit einer Schrotflinte in der Hand. Der Nobelpreisträger kam in eine Klinik, aus der er am 30. Juni entlassen wurde. Zwei Tage später nahm er am frühen Morgen seine Lieblingsflinte, lud sie mit zwei Schrotpatronen, steckte sich den Lauf in den Mund und drückte ab. "Ein Unfall", teilte die Familie mit. Erst Jahre später gestand Mary ein, dass es Selbstmord war. Überrascht hatte das niemanden mehr.

Ernest Hemingway war bei seinem Selbstmord 61 Jahre alt - genau wie sein Vater 33 Jahre zuvor. Auch die Schwester Ursula (1966) und der Bruder Leicester (1982) schieden freiwillig aus dem Leben. Sohn Gregory, der sich nach einer Geschlechtsumwandlung Gloria nannte, starb 2001 in einem Frauengefängnis in Miami an Herzinfarkt. Seine Enkelin Margaux nahm sich 1996 das Leben - am Vorabend des 35. Jahrestages des Selbstmordes des berühmten Großvaters.