Arcade Fire haben einen Status erlangt, der enorme Erwartungen weckt. Die Band selbst scheint sich davon nicht beirren zu lassen: Das Konzert der kanadisch-amerikanischen Formation um das Ehepaar Win Butler und Regine Chassagne am Mittwochabend in Wiesen war ein Triumph, ein Auftritt voller Leidenschaft, intelligent und doch auch aus dem Bauch - Musik für Hirn und Tanzbeine. Vom Opener "Ready To Start" bis zum entfesselten "Neighborhood #3 (Power Out)" entwickelte sich ein Spannungsbogen ohne Durchhänger. Die Erwartungen wurden erfüllt, wenn nicht sogar übertroffen.

Das Leben in den Vorstädten

Für "The Suburbs" haben Arcade Fire 2010 den Grammy für das "Beste Album" des Jahres erhalten - nur für jene, die bloß auf die kommerziellen Popcharts schauen, eine Überraschung. Thematisch behandelt die Band mit der Konzeptplatte das Leben in Vorstädten. Butler weiß, wovon er singt, schließlich ist er in einem Vorort von Houston (US-Bundesstaat Texas) groß geworden. Seine Frau wiederum verbrachte als Tochter haitianischer Auswanderer in einem Suburb von Montreal die Kindheit. Live wurden die Inhalte der Songs beim ausverkauften Gastspiel im Burgenland mit stimmigen Video-Projektionen und einer feinen Lichtshow optisch unterstützt.

Arcade Fire, 2002 in Montreal gegründet, gilt als Indie-Rockband, bezieht ihren Sound aber aus vielen stilistischen Einflüssen. Instrumente wie Kirchenorgel, Synthies und Akkordeon ergänzen Gitarren und Bässe, Violinen und Folk-Elemente passen ebenso ins Gesamtbild wie Zitate aus Disco und Art-Rock. Die acht Musiker webten einen enorm dichten Klangteppich, wechselten laufend die Instrumente und Positionen auf der Bühne. Die Lieder wurden mal von einem typischen Rock 'n' Roll-Rhythmus und einem schneidigen Gitarrenriff getrieben, dann wieder war eine Country-Melodie herauszuhören, worauf ein Dance-Beat folgte, dem wiederum ein bisschen Folklore ("Haiti") vorangegangen war. Bei aller Vielfalt, wirkte das wie aus einem Guss.

Die hohe Kunst der Dramatik

Es ging dramaturgisch wunderschön auf und ab: Euphorische Hymnen vom Debüt "The Funeral" prallten widerstandslos auf apokalyptische Beiträge vom 2007er-Opus "Neon Bible" ("No Cars Go" oder gleich zu Beginn "Keep The Car Running"). Die Gruppe rockte kraftvoll, manchmal fast heavy, um zwischendurch mit einer ruhigeren Nummer das Spektrum zu erweitern; reduzierte, feine Töne - geschickt in Mid-Tempo-Tracks integriert - bildeten Kontraste zu Pomp und Theatralik. Und Frontman Butler, genial von allen Kollegen im Scheinwerferlicht stimmlich unterstützt, hat den nötigen Charme, ohne viel sprechen zu müssen - das nennt man Persönlichkeit.

Die Band zählt mittlerweile zu den ganz großen, was manche Indie-Fans stören mag. Doch eine Sorge ist unbegründet: Arcade Fire haben auch als Star-Headliner und mit dem Grammy im Gepäck viel Seele in der Musik. Das Ensemble inszenierte seine Mini-Epen mit ungezügelter, spürbarer Leidenschaft, die vielen Fastfood-Produktionen abgeht. Zum Finale mit "Wake Up" und "Sprawls" konnte man eigentlich nur abheben ...

Zur Tournee ist nun eine Sonderauflage von "The Suburbs" bei Universal erschienen. Diese enthält neben der Originalplatte zwei neue Songs auf CD und eine DVD mit dem Film "Scenes From The Suburbs", bei dem Spike Jonze Regie führte. Die Scheiben stecken mit einem 80 Seiten dicken Heftchen in einem Kartonschuber. Über einen beigelegten Code lässt sich Bonusmaterial herunterladen.