Um den öffentlichkeitsscheuen "Tree of Life"-Regisseur Terrence Malick ranken sich viele Geheimnisse. Wie haben Sie ihn erlebt?

BRAD PITT: Terrence ist einer der bescheidensten Menschen. Er hat eine sehr enge Beziehung zu Gott. Wobei seine Vorstellung von Gott eher einer philosophischen Denkweise als der christlichen Religion entspricht. Außerdem ist er ein großer Liebhaber der Natur und der Wissenschaft, was für viele ja widersprüchlich ist. Terry ist ein unglaublich freundlicher Typ - außer wenn er einen Ball und einen Schläger in die Hand bekommt, dann wird er sehr kämpferisch.

Wie arbeitet es sich mit einem Genie?

PITT: Bei Malick herrscht eine völlig andere Atmosphäre bei den Dreharbeiten. Üblicherweise herrscht beim Film ein lärmendes Chaos aus Scheinwerfern, Lastwagen und Generatoren. Die Gewerkschaften schreiben genau vor, welcher Arbeiter welche Tätigkeit ausführen darf. Bei Terrence gab es überhaupt keine Scheinwerfer, die Kamera wurde von einem einzigen Mitarbeiter bedient und beim Make-up gab es keinen Aufwand. Die Kinder-Darsteller, die das Drehbuch nicht kannten, durften sich selber aussuchen, welche Kleidung sie tragen und was sie tun. Insofern ist Malick kein Perfektionist, sondern das Gegenteil. Er setzt auf Spontaneität und Überraschung.

Was zeichnet einen guten Regisseur vor allem aus?

PITT: Der Unterschied zwischen einem guten und einem großartigen Regisseur liegt darin, dass die großartigen Filmemacher alle Figuren und Mitarbeiter lieben.

Sie wurden bekannt durch Rollen, wo sie den extremen Außenseiter spielen. Wie erging es Ihnen diesmal mit der Figur eines recht gewöhnlichen Menschen?

PITT: Die Figur mag gewöhnlich sein, aber sie ist sehr komplex. Für mich hat dieser Film viel mit meiner eigenen Jugend zu tun. Nicht, dass ich unter einem autoritären Vater gelitten hätte, ganz im Gegenteil: Er hat mich immer unterstützt und ohne ihn würde ich hier nicht sitzen. Aber die Umgebung des Films hat starke persönliche Erinnerungen in mir geweckt, was ganz entscheidend für diese Rolle war.

Spiritualität ist das große Thema des Films, welche Rolle spielt sie für Sie persönlich?

PITT: Für mich, der in einer christlichen Umgebung aufwuchs, gab es immer die ganz große Fragen, aber mit den Antworten war ich eigentlich nie zufrieden. Ab einem bestimmten Alter wird dir klar, dass das Leben nicht endlos ist, dass man irgendwann sterben muss und dass auch geliebte Menschen von uns gehen. Als ich den Film hier in Cannes nochmals gesehen habe, wurde mir noch deutlicher, dass es eine Schönheit und einen Frieden gibt und man diesen Frieden finden kann, wenn man das Unbekannte akzeptiert.

Träumen Sie bisweilen davon, ein normales Leben zu führen?

PITT: Das habe ich aufgegeben! Aber für uns ist das ja ein normales Leben. Als Vater habe ich die gleichen Sorgen wie jeder andere: Ist meine Familie sicher? Bekommen die Kinder alle Möglichkeiten, die sie brauchen? Verbringe ich genügend Zeit mit ihnen? Mit solchen Fragen landet man immer schnell in der Realität. Das Chaos beim Frühstück ist bei uns übrigens nicht kleiner als bei anderen.

Von Privatleben kann freilich nur hinter Schlossmauern die Rede sein . . .

PITT: Natürlich haben wir in bestimmten Bereichen das Privatleben verloren. Ich versuche so gut wie möglich, meine Kinder vor Fotografen zu schützen. Aber dafür haben wir auf der anderen Seite die großartige Möglichkeit, um die ganze Welt zu reisen. Dieser Kontakt mit anderen Kulturen ist eine unglaubliche Bereicherung für meine Kinder.

Wie sieht die Erziehung im Hause Pitt-Jolie aus?

PITT: Ich versuche, meine Frustrationen nicht mit nach Hause zu bringen. Ich möchte, dass meine Kinder sich frei und unbelastet fühlen. Und wenn sie mich brauchen, will ich für sie da sein. Zugleich lerne ich von meinen Kindern enorm viel über mich selbst.

Sie engagieren sich sehr für humanitäre Projekte, warum ist Ihnen das so wichtig?

PITT: Wer sich engagiert, bekommt für sich persönlich immer auch etwas zurück. Ich bin ja in einer sehr privilegierten Lage, mein Leben ist wie ein Hauptgewinn im Lotto. Das ist nicht mein eigenes Verdienst, sondern das verdanke ich dem Glück. Deswegen finde ich es sehr wichtig, mein Glück und meinen Wohlstand mit anderen zu teilen. Zu helfen ist für mich eine Pflicht.