"Aber in echt hat sie sich nicht gestochen, oder", fragte ein Bub in die Stille der Vorstellung. Prinzessin Auroras Finger blutet und das Bühnengeschehen hat das Kind so in den Bann gezogen, dass es sich der Realität vergewissert, um nicht vor Nervosität vom Klappsessel zu rutschen. "Dornröschen" im Salzburger Landestheater. Peter Breuer, seit 20 Jahren Ballettdirektor der hauseigenen Company feiert sein Arbeitsjubiläum und rückt dabei sein junges Publikum – in diesem Fall Kinder ab sechs Jahren – ins künstlerische Zentrum.

Breuer und seine Librettistin Gaby Berginz bedienen sich eines klugen, dramaturgischen Kniffs, um das Märchen, das seit der Uraufführung 1890 in St. Petersburg zu den Klassikern des Genres zählt, auf das Niveau von Taferlklasslern herunterzubrechen. Sie bauen eine – wiewohl etwas konstruierte – Rahmenhandlung um Lady Suzie und Butler James, worin Lady Suzie im Zuge einer Autopanne die Story erzählt. Der respektlose Umgang mit Tschaikowskys Komposition – Lady Suzie plaudert öfter bei laufender Musik – macht Sinn, denn die ältere Dame vermittelt den roten Faden ganz wunderbar.

Ohne Kinkerlitzchen

Und so rollt die Geschichte von der Prinzessin Aurora, der bösen Fee Carabosse, der Spindel, dem 100-jährigen Schlaf und dem Kuss des Prinzen vor den leuchtenden Kinderaugen ab. Im ausgeklügelten Bühnenbild (Andreas Lungenschmid) beeindruckt die mobile Treppe, welche sowohl als repräsentativer Saalaufgang als auch als Stiegenhaus zum Turmzimmer funktioniert. Breuers hübsche, historische Kostüme mit Reifröcken und Lockenperücke charakterisieren die Figuren auch farblich von der weißen Hofgesellschaft über die rosa Prinzessin bis zur gefährlich dunkelblau schillernden Fee Carabosse. Getanzt wird mit Verve. Anna Yanchuk gibt ein reizendes Dornröschen, Christina Uta kann ihrer bösen Fee viele Schattierungen abgewinnen. Von den Tänzern besticht Marian Meszaros alias Prinz Florimund sowie Vladislav Koltsov, der als Blauer Vogel mit ausladenden Sprüngen punktet. Das finale Pax de deux des jungen Liebespaares mit exquisiten Hebefiguren zählt zu den Höhepunkten. Breuer bedient sich einer soliden, klassischen Tanzsprache ohne Kinkerlitzchen oder bewegungstechnischer Innovation. Vorzüglich geeignet, um den Kids, die Tanz meist nur am Screen kennen, als leibhaftige Kunstgattung näher zu bringen und sie im besten Fall mit einer Ballettleidenschaft zu infizieren.