Herr Henckel von Donnersmarck, wie fühlen Sie sich im Hollywood-Exil?

FLORIAN HENCKEL VON DONNERSMARCK: Ich lebe jetzt zwar in Amerika, aber das heißt nicht, dass man seine innere Heimat aufgibt. Ich fühle mich auch in Los Angeles sehr als Deutscher. Was ich dort über das Kino lerne, werde ich irgendwann zurückbringen. Aber mein Lernbedarf ist noch groß, deshalb werde ich vorerst in Amerika bleiben.

2007 haben Sie für "Das Leben der Anderen" den Oscar bekommen. Warum mussten wir so lange auf den zweiten Film warten?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Zunächst bin ich gut ein Jahr mit dem Film um die Welt gereist, weil er in vielen Ländern erst nach dem Oscar interessant wurde. In Hollywood musste ich mich erst einmal neu orientieren. Ich wollte ein Gespür dafür bekommen, wem man trauen kann und wem nicht.

Welche Vorteile hat Los Angeles für einen Filmemacher?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Los Angeles ist ja nicht nur die Hauptstadt des amerikanischen Films, sondern das Zentrum des Weltkinos. Die besten Regisseure wollen hier arbeiten. Aus Deutschland zum Beispiel Werner Herzog, Percy Adlon und Wolfgang Petersen. Dieser Austausch ist sehr nützlich, in Hollywood wird man einfach besser.

Gibt es nicht die Gefahr, dass man seine Künstler-Seele dem Kommerz verkauft?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Man kann als Regisseur nicht etwas inszenieren, wovon man nicht überzeugt ist. Das wäre ein selbstzerstörerischer Kraftakt, den man wahrscheinlich nur einmal machen könnte.

In der Unterhaltungsindustrie zählt aber nicht nur die Kunst, sondern auch die Rendite. Nehmen die Produzenten nicht Einfluss?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Das ist ein großes Missverständnis. Ich kenne keinen Fall, wo das Studio einen Regisseur gezwungen hat, den Schnitt anders zu machen, als er es wollte. Der Begriff ?Director's Cut' ist ein Marketing-Trick für DVD-Versionen. Das bedeutet keineswegs, dass die ursprüngliche Fassung nicht ebenfalls ein ?Director's Cut' gewesen ist. Die Studios wollen es sich nicht mit den Regisseuren verderben, denn dadurch könnten sie auch Stars verlieren.

Hätte "The Tourist" auch in Europa entstehen können?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Diese Art von Glanz und Glamour, die man mit einem amerikanischen Budget erzeugen kann, kann man sich in Europa nicht leisten. Jeder Statist in ?Tourist' ist mit mehr Geld eingekleidet als die Hauptdarsteller in ?Das Leben der Anderen'. Das sorgt für einen ganz anderen Look, der letztlich natürlich nicht entscheidend ist für einen guten Film.

Was sind die Starqualitäten Ihrer Heldin Angelina Jolie?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Angelina ist wunderschön und eine sehr gute Schauspielerin. Gleichzeitig ist sie sehr stark und dennoch feminin. Das ist eine ganz ungewöhnliche Kombination, die es in jeder Generation nur einmal gibt. Als kulturelles Phänomen ist sie eine Ikone, vergleichbar mit Grace Kelly, Rita Hayworth oder Marilyn Monroe. Aus vielen Gesprächen mit Frauen weiß ich, dass Angelina ihnen ein Gefühl von Stärke vermittelt.

Und Johnny Depp?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Johnny ist wahnsinnig witzig und bringt einen ständig zum Lachen. Diese Ressource habe ich bewusst für seine Rolle genutzt. Johnny bietet eine einzigartige Mischung aus Verletzlichkeit, Humor und Männlichkeit, die an seinen großen Freund und Mentor Marlon Brando erinnert.

Wie aufgeregt waren Sie bei Ihrer Begegnung mit den Superstars?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Ich bin nicht der Typ, der nervös wird, und war bei Angelina nicht aufgeregter als bei Martina Gedeck. Für den Regisseur ist es wichtig, ob die Schauspieler gut sind. Starqualität hat ja nicht automatisch etwas mit Talent zu tun - nicht umsonst verglühen etliche Stars über Nacht.

Benötigten Sie beim Drehen eine eigene Paparazzi-Polizei?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Logistisch ist das Drehen im Freien tatsächlich etwas erschwert. Wenn Tausende an der Absperrung stehen und ?Johnny! Angie!' schreien, muss man die Fans vor jedem Dreh erst einmal per Megafon um Ruhe bitten. Das funktioniert auch, allerdings nicht lange: kaum sagte ich ?Cut', fing das Geschrei gleich wieder an.

Als Oscar-Besitzer dürfen Sie bei den Academy Awards abstimmen. Geht Ihr Votum beim Auslandsfilm nach Deutschland?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Wenn es möglich ist. Wenn man merkt, der deutsche Film hat keine Chance, dann stimme ich für Österreich, damit die Stimme nicht verloren geht. Und wenn beide aussichtslos erscheinen, dann gebe ich mein Votum für die Schweiz. Ich liebe einfach den deutschen Film und weiß, wie sehr so ein Preis der Filmwirtschaft helfen kann.

Was vermissen Sie in Hollywood?

HENCKEL VON DONNERSMARCK: Ich vermisse die deutsche Sprache und versuche, zu Hause eine Oase dafür zu schaffen. Unsere Kinder wissen, dass ich sehr streng werde, wenn ich daheim auch nur ein Wort Englisch höre.