Ein Krimi von Franzobel - und dann auch noch im Dopingmilieu. Was ist passiert?
FRANZOBEL: Die Kurzfassung: Bei mir hat sich ein des Dopings überführter Ex-Sportler gemeldet. Er habe sehr viel Stoff, traue sich aber nicht, das selbst zu schreiben. Er konnte sich aber gut vorstellen, daraus einen Krimi zu machen.

Er hat nicht zu viel versprochen.
FRANZOBEL: Er wollte ursprünglich sogar bei der Promotion mitmachen, will jetzt aber doch lieber anonym bleiben. Ich hatte mich davor gar nicht mit Krimis beschäftigt, bin dann aber hineingekippt. Es war eine spannende und tolle Tätigkeit.

Die vor allem zu Beginn des Buchs ein schlimmes Bild des Sports in Österreich zeichnet. Ist es wirklich so schlimm?
FRANZOBEL: Es ist auf jeden Fall schlimmer, als man in den Medien sagen darf. Alle wissen von dieser Thematik, viele profitieren, aber niemand darf schreiben.

Warum sollte das so sein?
FRANZOBEL: Nehmen wir Vincenzo Nibali, den neuen Tour-Sieger. Da haben sowohl der Verband als auch die Tour großes Interesse, dass es nicht in die Öffentlichkeit kommt, wenn er dopt. Bei Lance Armstrong war es ja auch so. Sehr viele Sportler müssen mit einer Lebenslüge leben. Wenn sie es auf normalem Weg probieren, haben sie keine Chance. Wenn sie es schaffen, spricht man gleich von einem Jahrhunderttalent.

Warum ist das so?
FRANZOBEL: Man macht eben alles für den Erfolg. Und wenn man genug Geld investiert, bekommt man das Doping, das im Moment nicht akut nachweisbar ist.

Und das wissen Sie, weil . . . ?
FRANZOBEL: Von meinem Informanten - und aus anderen, folgenden Gesprächen.

Was auffällt: Viele Personen im Buch scheinen ein reales Gegenstück zu haben - ist das nicht gefährlich?
FRANZOBEL: Einige Personen sind der Wirklichkeit entlehnt, ja, aber alle sind in die Fiktion übertragen. Man darf nichts 1:1 übersetzen.

Warum ist Doping interessant für Sie?
FRANZOBEL: Mich hat die Scheinheiligkeit interessiert, die paradigmatisch für die gesamte Gesellschaft zu nehmen ist. Ansonsten ist Sport ja ein Thema, das für Literatur eher schwierig ist.

Inwiefern?
FRANZOBEL: Na ja, man darf zum Beispiel aufs Cover keinen Sportler tun. Sportbücher interessieren nicht, sagt da der Verlag.

Wenn schon Sportbücher nicht interessant sind, dann aber der Sport. Wie sehen Sie das Verhältnis der Gesellschaft zum Sport?
FRANZOBEL: Es ist für das Selbstverständnis von Nationen wichtig, im Sport Stellvertretersiege zu feiern. Darum sucht sich ja jedes Land Sportarten, wo man gut ist. Bei uns ist es Skifahren. Gäbe es das nicht, dann wäre vielleicht Faustball Nummer eins. Der Mythos kann aber nur aufrechterhalten bleiben, wenn man daran glaubt, dass alles mit fairen Mitteln zustande gekommen ist.

Und doch ist in Ihrem Buch viel von gedopten Skifahrern zu lesen. Meinen Sie das ernst?
FRANZOBEL: Ich gehe nicht davon aus, dass es so ist. Aber ich kann es mir vorstellen und es würde mich auch nicht überraschen.

Wie lautet Ihr Befund zum Thema Doping in Österreich?
FRANZOBEL: Also, zum einen: Österreich ist doch nicht zu klein für Doping, um dem Herrn Schröcksnadel da zu widersprechen. Ansonsten ist es, wie in anderen Ländern auch, eine schwierige Gratwanderung zwischen Glaubenwollen und Betrug. Letztlich bleiben aber immer die Sportler auf der Strecke.

Warum so negativ?
FRANZOBEL: Weil eine reine, heile Welt, die absolute Ergebnisse zeitigt, keiner Wahrheit entsprechen kann. Nur wir wollen alle daran glauben. Das ist aber wiederum auch gut so.

Sind Sie nach Ihren Erkenntnissen selbst noch Sport-Fan?
FRANZOBEL: Ja! Ich schaue noch immer gern Sport und verdränge das Negative, wie es die meisten machen. Ich schaue mir die Fußball-WM an, obwohl ich weiß, dass es den Verdacht gibt, dass Spiele verschoben werden. Obwohl ich weiß, dass auch sehr bekannte Namen bei Wettbüros in Asien eingeloggt sind. Aber ich will daran glauben, dass das Ergebnis regulär zustande kommt.

Und abseits des Fußballs?
FRANZOBEL: Da sucht man sich, etwa bei der Leichtathletik, einen, zu dem man hilft, und fiebert mit, ob er gewinnt. Aber es ist fast ein meeresflüchtiges Ereignis. Zehn Jahre später ist einem ja völlig wurscht, ob der gedopt war. Arm ist nur der, der 56. wird und nie gedopt hat.

Warum gerade der?
FRANZOBEL: Weil er seine Mühen nie vergolten bekommen hat. Die, die gedopt haben, haben Reichtum und Popularität - auch wenn sie einiges zurückzahlen müssen, wenn sie erwischt werden. Er hat nichts.

Und daraus folgt für Sie?
FRANZOBEL: Dass es auch im Sport keine wirkliche Gerechtigkeit gibt.

Zurück zum Buch. Was auffällt: die detaillierte und detailgetreue Beschreibung Wiens.
FRANZOBEL: Ich finde das nicht uninteressant, ja. Es ist auch ein Wien-Buch, ich habe versucht, die Atmosphäre einzufangen, Orte gewählt, die bekannt sind. Und wenn man über eine Stadt schreibt, fährt man die Fühler aus, ist wacher, interessierter. Es hat Spaß gemacht.

Was auch auffällt: Kommissar Groschen hat durchaus Ähnlichkeiten mit Ihnen, oder?
FRANZOBEL: Also, das Buch ist schon so angelegt, dass es Fortsetzungen geben kann. Das geht aber nur, wenn diese Person auch mit mir zu tun hat, ein Teil von mir ist, seine Vorliebe zum Bier etwa ist sicher autobiografisch. Es macht aber Spaß, über sich selbst zu schreiben. Meine Frau ist der seinen übrigens auch ähnlich, auch wenn sie das als Testleserin zum Glück überlesen hat.

Womit dopen Sie sich eigentlich selbst?
FRANZOBEL: Wie Kommissar Groschen - mit Bier. Man muss ja sagen: Die Leistung, die Spitzensportler vollbringen, ist trotz Dopings fulminant. Unsereins könnte sich ja nicht so viel reinwerfen, um nur mitzukommen. Doping bringt nur was, wenn du außergewöhnlich talentiert bist und unglaublich viel investierst.