Der rote Teppich ist ausgerollt: Mit "Grace of Monaco" wurden gestern Abend die 67. Filmfestspiele eröffnet - wenn auch außer Konkurrenz. Denn die Leinwandbiografie (Kritik Seite 73) ist kein Kandidat für die Goldene Palme, sondern der Aufreger zum Auftakt. Zürnt doch der benachbarte Zwergstaat, dass dem märchenhaften Prototyp seiner hübschen Ikone beim weltweit größten Festival der Filmkunst gehuldigt wird. Die Inszenierung des französischen Regisseurs Olivier Dahan, so wettert der Palast lautstark, verdrehe die Familiengeschichte.

Im offiziellen Kommuniqué werfen die Grimaldis dem Eröffnungsfilm "schwerwiegende historische Unwahrheiten und eine Reihe von rein fiktionalen Szenen" vor. Dabei war Cannes der Ort, wo die Kelly anno 1955 bei der Premiere von "The Country Girl" (der ihr später den Oscar bescherte), ihren Prinzen kennenlernte.

Auch ohne Grimaldis ist das Gedränge groß: In die 70.000-Einwohner-Stadt fallen rund 150.000 Besucher ein. 4500 Journalisten und 22.000 Branchenleute (Schauspieler, Produzenten, Verleiher, Anwälte etc.) sind akkreditiert. Aus 1700 Bewerbungen wurden 18 Filme für den Hauptwettbewerb nominiert, Österreich ist diesmal "nur" in der Nebenreihe "Un certain regard" ("Ein gewisser Blick") vertreten. Mit Regisseurin Jessica Hauser ("Amour Fou").

Verrückt ist auch das Geschäft: Der Geldsegen durch die Einnahmen aus Hotelnächtigungen, Jachtvermietungen und Partys wird für die lokale Wirtschaft auf 110 Millionen Euro in zwölf Tagen geschätzt. Gejubelt wird auch darüber, dass in der traditionellen Männerdomäne von Cannes heuer mit der Italienerin Alice Rohrwacher und der Japanerin Naomi Kawase gleich zwei Frauen unter den 18 "Palmen"-Anwärtern sind. In der Jury herrscht zudem erstmals eine weibliche Mehrheit. Deren Präsidentin Jane Campion ("The Piano") könnte die Damenwahl nutzen, um ihr anachronistisches Alleinstellungsmerkmal zu beseitigen, die bislang einzige Gewinnerin einer "Goldenen Palme" zu sein.

Porträt des Tages Seite 9