Sie brauchten für Ihre Karriere nichts zu tun. Denn Sie wurden zunächst als Model und dann für den Film entdeckt?

MARINE VACTH: Ich war 15, besuchte mit meiner Mutter eine Boutique in Nähe der Pariser Oper. Eine Dame beobachtete mich auf der Rolltreppe. Dann ging sie spontan auf meine Mutter zu. Ich dachte, eine Freundin. Aber es stellte sich heraus, dass sie eine Agentin war. Sie wollte mich als Model anwerben, bat mich um einen Test. Ich dachte, das könne ganz lustig sein - und sagte zu. Meine ersten Fotos machte ich für eine Jugendzeitschrift, und das war aus heutiger Sicht fast symbolträchtig.

In welcher Hinsicht?

VACTH: Die Zeitung hieß "Jung & schön".

Lief die Karriere gleich voll an?

VACTH: Ich wollte erst noch die Matura machen, doch ich habe sie nicht geschafft. Zwar hatte ich am literarischen Zweig viel Spaß, aber in Philosophie kassierte ich nur schlechte Noten. Zudem fühlte ich mich in dieser Schule unwohl, mit den Lehrern und mit den Freundinnen, die ich dort hatte. Erst dachte ich noch daran, die Matura nachzuholen, doch dazu kam es nicht mehr.

Sie wurden das "Gesicht" für Yves Saint-Laurent, mit Kampagnen für die Düfte "La nuit de l'Homme" und "Parisienne". Dann auch für "Chloé". Und bald meldete sich auch der Film . . .

VACTH: 2011 machte mir Cédric Klapisch ein Angebot. Für eine kleine Rolle in "Ma part du gâteau". Die Probeaufnahmen machte ich aus reiner Neugier. Die entsprechenden Szenen sollten in Venedig gedreht werden. Obwohl die Aufgabe sehr klein war - vor allem der Schauplatz Venedig reizte mich.

Immerhin hat François Ozon den Film gesehen und Sie sind ihm dabei sehr aufgefallen?

VACTH: Hat er mir bei unserem ersten Rendezvous erzählt. Regisseure sehen ja Filme oft mit ganz anderen Augen als das Publikum. Wir trafen einander jedenfalls zum Frühstück, und da erzählte er mir von "Jung & schön". Das Drehbuch gab es noch nicht. Doch er hatte das ganze Konzept im Kopf, erzählte mir die Geschichte, wir plauderten aber auch über andere Dinge. Über die Jugend, das Erwachsenwerden. Zwei Wochen später war das fertige Buch da.

Wie ging es Ihnen beim Lesen?

VACTH: Ich las es nachts und war total fertig. Es schüttelte mich manchmal, ich lachte und weinte, hatte Angst, bekam kein Auge zu.

Weswegen, wegen der verlangten drastischen Nacktszenen?

VACTH: Nur ein bisschen. Mir war schnell klar, dass der ganze Film auf meinen Schultern ruhen würde, und das war eine Mordsverantwortung. Ich rief François an, bat ihn, mir mehr zu erzählen.

Was hat Sie überzeugt?

VACTH: Die Art, wie er an die Geschichte ranging. Ohne Schwarz-weiß-Denken. Er urteilt nicht, wie gut oder wie böse dieses Mädchen ist. Ich hatte beim Dreh immer offene Augen, versuchte, mir die Figur des Mädchens Tag für Tag mehr anzueignen. Wie es seine Sexualität entdeckt und immer mehr Vertrauen in ihre Weiblichkeit bekommt. Am Ende drehten wir sogar einige Szenen neu, weil ich am Schluss nicht mehr die war, die ich vorher gewesen bin.

Was zeichnet François Ozon aus?

VACTH: Dass er am Set eine Atmosphäre erzeugt, die uns zu einer Familie werden ließen.

Die Nacktszenen - keine Belastung?

VACTH: Nicht unbedingt. Ich war es schon als Model und Mannequin gewohnt, meinen Körper sprechen zu lassen.

Ihr Familienname ist nicht leicht einzuordnen?

VACTH: Kommt, soviel ich weiß, aus Lothringen.

Haben Sie sich beruflich bereits endgültig entschieden?

VACTH: Die Schauspielerei soll Schwerpunkt werden. Doch zwischendurch fotografieren - warum nicht? Ich liebe die Fotografie, und ich erzähle gerne mit Bildern Geschichten.