Echte Gefühle bei den größten Filmfestspielen der Welt: Oscar-Gewinner Michael Douglas bekommt bei der Pressekonferenz zu "Hinter dem Kronleuchter" feuchte Augen und unterbricht seine Antwort. Der 68-Jährige hatte gerade seine überstandene Krebserkrankung erwähnt und bezeichnete den Wettbewerbsbeitrag als eines der schönsten Geschenke seine Karriere. Aber es gab noch andere Gründe für große Emotionen: Douglas' Ehefrau Catherine Zeta-Jones konnte nach längerer Therapie wegen Depressionen die Klinik verlassen. "Ich bin sehr stolz auf sie", so Douglas in einem Interview.

Das Drehbuch zu seinem jüngsten Film ließ ihm Regisseur Steven Soderbergh (Goldene Palme 1989 für "Sex, Lügen und Video") in der Zeit nach seiner Chemotherapie zukommen: "Ich weinte beim Lesen und wusste: Dieser Film ist meine Chance", gesteht Douglas, der in einer hinreißenden Performance besticht. Er verkörpert Liberace, den populärsten und bestbezahlten US-Entertainer und Pianisten der 60er- und 70er-Jahre, der nie zu seiner Homosexualität stand. Sein Markenzeichen: ein Kronleuchter auf dem Klavier. 1987 starb er an den Folgen von Aids. Soderbergh zeichnet die Liebesbeziehung des exzentrischen Künstlers mit dem jungen Scott (blondiert: Matt Damon) nach, der ihn 1982 auf 113 Millionen Unterhalt verklagte.

Trotz der unfassbaren Kostüme "wollten wir keinen ,Käfig voller Narren' machen, aber Liberace war zweifellos ein Vorreiter von Elton John und Lady Gaga", scherzte Douglas, nun ein Favorit für den Darstellerpreis. "Um die Kussszenen zu erleichtern, trug Matt duftenden Lippenbalsam auf", verriet er. Kurios: Kein Hollywood-Studio wollte den Liberace-Film produzieren, finanziert wurde er letztlich für nur fünf Millionen Euro vom Kabelsender HBO ("Sex and the City"). "Die Studios glaubten nicht, dass wir Zuseher jenseits des schwulen Publikums erreichen könnten", erklärte Soderbergh.

Favoriten

Etwas mehr als die Hälfte der 20 Kandidaten für die Goldene Palme hat die Jury mittlerweile gesichtet, als Favoriten im Pressezentrum gelten bislang die fiktive Folkmusiker-Biografie der Coen-Brüder ("Inside Llewyn Davis"), die tiefgründige Familiengeschichte "Wie der Vater, so der Sohn" aus Japan und die Parabel über Schuld und Eifersucht des Iraners Asgar Farhadi ("Die Vergangenheit"), der überraschend ohne politische Verweise auskommt. Abseits des Wettbewerbs gab es Standing Ovations für Claude Lanzmanns vierstündige Doku "Der Letzte der Ungerechten" über den Wiener Rabbiner Benjamin Murmelstein, den einzigen "Judenältesten", der Theresienstadt überlebte; er stand lange unter Kollaborationsverdacht.

Im Wettbewerb enttäuscht hat der Italiener Paolo Sorrentino mit "Die große Schönheit": ein aufgeblasenes Nichts mit pseudo-philosophischen Gedanken über die High Society von Rom. Sicher leer ausgehen wird die schlecht choreografierte Kopfgeld-Action des Japaners Takashi Miike ("Shield of Straw").

Gefeierte Regisseurin

Heftig beklatscht wurde hingegen die einzige Regisseurin im Wettbewerb: Valeria Bruni Tedeschis Tragikomödie "Ein Schloss in Italien" wäre ein Anwärter auf das beste Drehbuch. Die ältere Halbschwester von Carla Bruni verarbeitet darin Autobiografisches und besetzte die Hauptrollen mit sich selbst, ihrer Mutter Marisa Borini und ihrem Ex-Lebensgefährten Louis Garrel. "Ich betrachte die Filmarbeit aber nicht als Psychoanalyse", erklärte sie, "wobei ich in meinen Filmen viel optimistischer bin als im Leben selbst." Im Zentrum ihres Films stehen das vom Vater geerbte Schloss, familiäre Unstimmigkeiten, der Aids-Tod des Bruders und der Wunsch, Mutter zu werden. Das ist zum Teil haarsträubend witzig und dann wieder berührend inszeniert.

Fazit: Der Wettbewerb atmet, ist weniger schwer und depressiv als zuletzt. 2013 darf immer wieder auch gelacht werden.