F rau Ministerin, zwei Österreicher sitzen auch heuer nicht nur in Hollywood fest im Sattel: Christoph Waltz mit "Django Unchained" und Michael Haneke, bei dem in "Amour" doch deutlich sensibler gestorben wird als bei Quentin Tarantino. Was sagen Sie zu den Erfolgsläufen der beiden?

CLAUDIA SCHMIED: Ich gratuliere Michael Haneke und Christoph Waltz zu diesen herausragenden Erfolgen. Dass gleich zwei Österreicher auf der Bühne der Golden Globes standen, rückt Österreich und die Qualität unserer Filmschaffenden ins Licht der internationalen Aufmerksamkeit. Wir sind ein kleines Land, das als große Kulturnation wahrgenommen wird. Wenn Haneke, Waltz, Ulrich Seidl und viele weitere großartige Filmschaffende als Vertreter Österreichs die Leinwände in vielen Ländern bespielen und für ihre Leistung weltweit ausgezeichnet werden, haben sie persönlich und für unser Land viel erreicht. Das tut unserem Selbstvertrauen gut. Wir sind stolz auf sie und drücken Haneke und Waltz die Daumen, wenn am 24. Februar entschieden wird, ob sie zu den diesjährigen Oscar-Preisträgern zählen. Für uns hier in Österreich sind schon die Nominierungen Anlass zum Feiern.

"Das zarte Kinopflänzchen wird in Österreich viel zu wenig gegossen", moniert Haneke, die 70-jährige kräftige Buche. Was antwortet ihm denn die "Chefgärtnerin"?

SCHMIED: Dass wir eifrig gießen und natürlich nie genug gießen können. Aber ich war nach den Verhandlungen im Herbst 2012 sehr froh, dass wir für 2013 trotz der schwierigen Lage die Bundesförderungen für das Österreichische Filminstitut, dessen Budget ich verantworte, von zuletzt 16,5 Millionen auf 20 Millionen Euro anheben konnten. Zu Beginn meines Amtsantritts im Jahr 2007 waren es noch 9,6 Millionen, damit haben wir mehr als eine Verdoppelung geschafft. Insgesamt wird der Film aus dem Topf der Kulturmittel mit 25 Millionen Euro gefördert.

Und, Herr Markovics, ist es so: Genug ist nie genug?

KARL MARKOVICS: Wir könnten natürlich auch 500 Millionen locker ausgeben (schmunzelt). Aber das ist nicht der Punkt. Auch wenn Filmen kostenintensiv ist: Man muss mit dem, was zur Verfügung steht, umzugehen verstehen, den Film als Identitätsträger pflegen und als Medium, das unmittelbar und weitreichend auf Vorgänge und Umstände in der Welt reagieren kann.

Sie stehen ja vermehrt hinter der Kamera und sind seit 2009 Präsident der Filmakademie. Ändert sich da der Blick auf die Probleme?

MARKOVICS: Insofern, als dass man begreift, wie wenig Ahnung man bisher eigentlich gehabt hat. Allmählich lerne ich die Komplexität der Strukturen kennen, wie schwierig es ist, Filmprojekte auf die Beine zu stellen, wie viele sich um die Fördertöpfe scharen und wie vielgestaltig die Aufgabenstellungen und Interessen der einzelnen Kreativen sind.

Die Kreativwirtschaft ist in Deutschland nach der Schwer- und Autoindustrie die drittgrößte Branche, bei uns wohl kaum anders. Wie ist diese noch zu fördern außer mit Millionen?

SCHMIED: Die Finanzierung ist natürlich entscheidend, aber der Branche gebührt vor allem mehr Wahrnehmung und Bewusstsein. Das geht am besten, indem man Kunst, Kultur und Bildung koppelt. Anders als etwa in den USA mit ihrem Mainstream-Kino haben wir ja in Europa vielfach den Fokus auf qualitätvolle Autorenfilme, die viel stärker die Probleme der Gegenwart ansprechen - zum Beispiel Ausgrenzung, Behinderung oder das Altern, wie jetzt Michael Hanekes "Amour". Solche reflektierenden, kritischen, gesellschaftsrelevanten Arbeiten brauchen mehr und vielfältige Unterstützung.

Haneke behauptet ja, dass der Autorenfilm zugunsten des Publikumsfilms immer mehr zurückgedrängt werde.

MARKOVICS: In Österreich sehe ich das nicht so. Ich sage sogar etwas ketzerisch: Ich wäre ja froh, wenn wir so weit wären, so etwas wie Mainstream-Kino zu haben. Man kann nicht zufrieden sein, wenn wir auf dem heimischen Kinomarkt mit unseren Produktionen stets unter zehn Prozent liegen. Erst mit der Regelmäßigkeit und Normalität von "Blockbustern" gäbe es auch die Wahrnehmung für die gesamte Bandbreite, für eine Filmlandschaft Österreich, die sich immer noch an einzelnen großen Regisseuren oder Autoren festmacht und keine flächendeckende Kultur ist.

Braucht es diesbezüglich noch bessere Kulturvermittlung? SCHMIED: Immer, denn wir haben eine Verantwortung gegenüber der Jugend für eine Kultur des Gelingens, der Auseinandersetzung, der Kritikfähigkeit. Gerade Kunst und Kultur wirken bei der Entwicklung von Identität und Selbstbewusstsein oft Wunder. Wir hatten etwa Stefan Ruzowitzkys oscarprämiertes KZ-Drama "Die Fälscher" in unsere Filmvermittlungsprogramme eingebunden, oft nahm auch Hauptdarsteller Karl Markovics an den anschließenden Diskussionen teil. Damit konnten wir 9000 Jugendliche erreichen.

MARKOVICS: Es geht dabei auch darum, Jugendliche in den komplexen Prozess des Formates einzuführen, den man - noch verstärkt durch die Trailer- und Youtube-Kultur - quasi als selbstverständlich wahrnimmt. Es soll veranschaulicht werden, wie viel Arbeit, wie viele Entscheidungen hinter einem Film stecken.

SCHMIED: Am Film lässt sich ja gut festmachen, dass externe Faktoren wie Studienplätze, technische Ausrüstung oder kreatives Umfeld wichtige Teile des Erfolgs sind, einem jedoch nichts zufliegt. Es braucht grundsätzliches Interesse, dazu aber auch harte Arbeit und Einsatz. In so einem komplexen Bereich wie dem Film sind wie beim Sport Spitzenleistung und Teamgeist gefordert, vom Drehbuch über die Visualisierung bis zum Projektmanagement.

Apropos Team: In Österreich gab es ja so Wellenbewegungen. Nach dem Krieg Heile-Welt-Filme mit Hans Moser und Peter Alexander, später etwa legere Kabarettfilme, heute anspruchsvolle Autorenfilme in häufig internationalen Produktionen: "Schranken hoch, bevor die Klappe fällt!", ist offenbar das aktuelle Motto.

MARKOVICS: Kann ich nicht ganz unterschreiben. Hätten wir nur noch Koproduktionen, könnte das ins Auge gehen, denn viele Köche verderben den Brei für Regisseure oder ausführende Produzenten. Und für jeden Film ist ablesbare Heimat essenziell, sonst ist er unglaubwürdig.

SCHMIED: Als Zuschauer spürt man ja sofort, ob eine Geschichte authentisch ist oder bloß berechnender Nutzen dahintersteht.

Die überschaubare "Familie" der Schauspieler in Österreich macht es wohl auch leichter, solche Authentizität herzustellen.

MARKOVICS: Im Gegenteil: In einer Familie scheint alles vorherbestimmt, die Vorteile nutzt man, die Nachteile deckt man zu. Zu viel Gleichartigkeit heißt aber wenig Reibung und kein Risiko. Acht Wochen drehen und sich gut verstehen kann schön sein. Aber acht Wochen drehen und sich dabei kennenzulernen ist spannender. Das Momentum der Kreativität, der Überraschung ist immens wichtig. Auch bei unserer Filmakademie ist es so: Sie soll keine Vollzugsanstalt sein, in der man sich selbst genügt, das führt zu Langeweile und Stillstand. Sie ist gottseidank ein inhomogener, kreativer Haufen.