Am Valentinstag 1989 teilte sich das Leben von Salman Rushdie in ein Zuvor und ein Danach. "Hinterher". Mit diesem Wort beginnt der hochgelobte und tief verteufelte Autor seine Autobiografie. Es markiert den Wendepunkt seines Lebens, an dem er erfährt, dass der iranische Ayatollah gegen ihn eine "Fatwa" verhängt, dazu aufruft, Rushdie und seine Helfer zu ermorden. Sein erster Gedanke: "Ich bin ein toter Mann". Seine erste Reaktion: Er schloss "absurderweise" die Fenster. Es sollte ihm nicht viel helfen in den nächsten neun Jahren.

Rushdie hat seine Autobiografie aus der Perspektive eines Außenstehenden verfasst. Statt "ich" schreibt er "er". Und doch ist es kein literarisches Werk, es ist ein Protokoll und eine Verteidigungsrede. Chronologisch wie ein Tagebuch erzählt er sein Leben im Untergrund nach, seine privaten Krisen und seine Suche nach Unterstützern. Die Kindheit in Indien, die Schulzeit in England, selbst die Romane, die er in diesen Jahren verfasst, werden zu Randnotizen angesichts des "Todesurteils" aus Teheran.

Fiktive Briefe

Seine Argumente formuliert er zum Teil in fiktiven Briefen: "Liebe Religion, kann ich die Frage nach den Grundprinzipien stellen?" Die "Satanischen Verse" hielt er nie für ein besonders kritisches Buch, "doch eine Religion, deren Führer sich auf derartige Weise verhielten, hätten ein wenig Kritik wohl durchaus nötig". Der "theokratische Faschismus" bleibt sein Feind.

1989 wurde Rushdie zu "Joseph Anton" - sein Deckname im Versteck, eine Kombination aus den Vornamen seiner Lieblingsschriftsteller Joseph Conrad und Anton Tschechow. Der Besitzer dieses Namens wird in gepanzerten Wagen durch London gefahren, muss ständig die Wohnung wechseln, ist rund um die Uhr von bewaffneten Personenschützern umgeben, Fluggesellschaften weigern sich, ihn zu transportieren. Als er ins Krankenhaus muss, steht ein Leichenwagen bereit, um ihn aus der Klinik zu schmuggeln, und wenn Handwerker in seine Interims-Bleibe kommen, kauert er sich hinter den Küchentresen: "Wer sich auf solche Weise verstecken muss, verliert jeden Selbstrespekt."

Rushdie teilt in seinen Lebenserinnerungen ganz schön aus. Nicht nur die religiösen Aufpeitscher, auch diverse Ehefrauen sowie einige Kollegen (wie John le Carré) und Verleger (wie Rupert Murdoch) kriegen ihr Fett ab. Aber er bedankt sich auch bei den vielen Freunden und spricht voller Respekt von seinen Beschützern, die nachts mit ihm auf einem Polizeisportplatz Rugby spielen und mit einem Polizeiboot über die Themse brettern.

Rushdie spart nicht mit Selbstkritik: Ein aus Kalkül unterzeichnetes falsches Bekenntnis zum Islam löst bis heute heftigen Selbstekel aus; er zeiht sich selbst der Selbstsucht, Arroganz und Eitelkeit. Ja, es ist ein "offenes, aufrichtiges Buch", wie es der Verlag versprochen hatte. Aber ein wenig ist es auch ein eitles Buch voller Namedropping und Promi-Anekdoten. Das Namensverzeichnis am Ende des Buchs umfasst elf Seiten von Bill Clinton bis Madonna.

50 Kilo leichter

Die Fatwa kann nicht aufgehoben werden, aber 1998 wird sie immerhin formal für beendet erklärt. "Wie es aussieht, ist es vorbei", sagen die Sicherheitsleute. Nach dem Umzug in die USA kann er sich wieder frei bewegen, "er fühlte sich 50 Kilo leichter". Nach 13 Jahren wird auch in England aus Joseph Anton wieder Salman Rushdie. "Es war ein Sieg, es war um Bedeutendes gegangen, nicht nur um sein Leben."

An einer Stelle des Buchs erwähnt Rushdie einen später verworfenen Plan, seine Geschichte literarisch aufzuarbeiten, "ein Projekt mit dem Arbeitstitel "Inferno", im dem seine Geschichte zu etwas anderem würde als zu einer Autobiografie. "Das halluzinatorische Porträt eines Mannes, dessen Weltbild zerstört wurde". Gute Idee eigentlich.