Um Mitternacht brach ein Jubelsturm los, den Buhrufe gegen das Regieteam nur kurz trübten. Cecilia Bartoli feierte verdient einen doppelten Triumph. Die von Alexander Pereira, dem neuen Intendanten der Salzburger Festspiele, inthronisierte künstlerische Leiterin der Pfingstfestspiele durfte sich über einen gelungenen Auftakt mit Georg Friedrich Händels 1724 uraufgeführter, bei den Festspielen nie zuvor gezeigter Oper "Giulio Cesare in Egitto" freuen. Und hatte dazu als Interpretin der weiblichen Hauptrolle, für die Händel die schönste Musik komponiert hat, entscheidend beigetragen.

Klang ihre Stimme bei der ersten der acht Arien der Cleopatra auch noch ein wenig belegt, so fand sie doch rasch zu ihrer gewohnten Form und vollzog Cleopatras Wandlung von kalkulierter Koketterie zu echter Liebe mit unerschöpflichem Ausdrucksreichtum nach, wobei sie nicht nur mit ihrer perfekten Koloraturakrobatik faszinierte, sondern auch mit wunderbar weltentrückten, verinnerlichten Pianissimophrasen tief berührte.

Neben dem Publikum verfiel ihr natürlich auch Julius Caesar. Andreas Scholl singt ihn seit zehn Jahren und lässt mit der Ausdruckskraft seines ungemein beweglichen Countertenors, der die halsbrecherischen Anforderungen der Bravourstücke noch immer sicher meistert, fast vergessen, dass er ein hölzerner Darsteller geblieben ist.

Da ist der französische Counter Christophe Dumaux, ein charismatischer Singschauspieler, als triebgesteuerter ägyptischer Pharao Tolomeo aus anderem Holz geschnitzt. Der Preis für die schönste Countertenorstimme geht dennoch an Philippe Jaroussky als rachedurstiger Sesto.

Zusatzarie

Und weil der Counter-Pionier Jochen Kowalski, 1989 in Düsseldorf und 1993 in Schwetzingen selbst ein fulminanter Titelheld, in der nur mit Secco-Rezitativen betrauten kleinen Partie von Cleopatras Vertrautem Nireno mitwirkt, wird dieser zur Travestierolle Nirena umfunktioniert und mit einer 1725 nachkomponierten Arie ausgestattet.

Damit bietet die Salzburger Produktion, die auf keine einzige Musiknummer verzichtet, sogar mehr als eine integrale Version, und beweist damit auch philologisch Festspielformat.

Den unerschöpflichen Reichtum von Händels alle Gefühle auslotender Musik, um die sich auf der Bühne auch noch Anne Sofie von Otter (Cornelia), Ruben Drole (Achilla) und Peter Kálmán (Curio) mit angemessener Vokalkunst bemühen, unterstreicht das schlank musizierende Originalklangensemble Il Giardino Armonico unter Giovanni Antonini, der zu wohltemperierter Contenance neigt.

In seiner Inszenierung von Händels Parabel über Macht, Gewalt und Liebe reagiert das Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier auf den Witz und die Ironie des Komponisten. Im Verein mit dem Bühnenbildner Christian Fenouillat entstand ein amüsantes Spiel mit den gängigen Klischees. Die geistreiche und fantasievolle Inszenierung spart nicht mit Komik, verrät das Stück aber nicht an die Klamotte. Sie klammert die politischen Aspekte nicht aus, erweist auch der barocken Bühnenmaschinerie ihre Reverenz - und wendet sich vor allem nie gegen Händels Musik.