Alle sprechen von Donald Trump und Elon Musk. Viele fürchten die Kaperung der demokratischen öffentlichen Diskussion durch autoritäre rechtsextreme Agitation. Zur Verbreitung ihrer digitalen Kanäle dienen intransparente Algorithmen. Trump und Musk wollen ihre Regulierung verhindern. Doch Information und Journalismus sind nicht nur in den USA gefährdet, wo immer mehr Gebiete keine Nachrichtenquelle haben. Als „Appell an die nächste Regierung“ schreibt der Redaktionsausschuss des ORF, aus parteipolitischer Taktik werde Misstrauen gegenüber etablierten Medien gesät, um auf parteinahen Kanälen besser das eigene Weltbild propagieren zu können. Die Journalisten fürchten die Reduzierung zum „Grundfunk“. Doch ihr Aufruf nennt weder Ross noch Reiter.
Es sind vor allem im Dienste der FPÖ, mit Verschwörungsmythen und Fehlinformation gespickte Internet-Programme. Der rechte Propagandakanal AUF1 erhielt als Trittbrettfahrer des oberösterreichischen Senders rtv die Akkreditierung fürs Medienzentrum des Parlaments zur Nationalratswahl. FPÖ-Chef Herbert Kickl adelte den Schachzug mit seinem ersten Interview nach dem Wahlsieg. Auch Ungarns Viktor Orbán ließ sich in diesem umstrittenen Onlineprogramm befragen – zu Russland und Donald Trump.
Account gelöscht
Für die Zulassung von AUF1 war noch ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka verantwortlich, bevor FPÖ-Nachfolger Walter Rosenkranz Orbán mit Kickl dort zusammenführte. Pflastersteine für diese Wegbereitung der neuen Art legt also ein „alternatives, rechtsextremistisches Medium“, wie der Verfassungsschutz die Plattform bezeichnete. Auch in Deutschland war die Website aufgefallen: „,Völkische Entwicklungshilfe‘ aus Österreich“ titelte die ARD-Tagesschau über AUF1, das der in rechtsextremen Kreisen einschlägig profilierte Stefan Magnet betreibt. Das Internet-Angebot hat 300.000 Abonnenten auf Telegram und gilt als Haus- und Hof-Sender der AfD, die in Mediensachen Ösi-Vorbilder hat. Sie verzeichnet auf ihrem YouTube-Kanal 286.000 Abos, FPÖ TV hat dort 222.000.
Warnung vor AUF1
Während Digitalexpertin Ingrid Brodnig und Daniela Kraus vom Presseclub Concordia im „Standard“-Gastkommentar warnen, AUF1 wie ein normales Medium zu behandeln, wird eine weniger extreme, aber auch klar rechts agierende Plattform eingemeindet. Der „eXXpress“ ist seit 2022 Mitglied der aus der Auflagenkontrolle von Zeitungen hervorgegangenen Webanalyse ÖWA. Damals war noch der im Ibiza-Video gelobte Richard Schmitt Chefredakteur des vor allem von Eva Schütz finanzierten Produkts. Er machte zuvor Boulevard für „Krone“, „Heute“ und „Österreich“, sie war Vize-Kabinettschefin unter Finanzminister Hartwig Löger und Büroleiterin von Thomas Schmid. Der „eXXpress“ wirkt aber der FPÖ oft näher als der ÖVP. Er ist an der rechten Flanke, was am linken Flügel der Digitalkanäle „ZackZack“ ist, das vom Ex-Grünen Peter Pilz mit Parteiakademieförderung für die Liste „Jetzt“ gegründet wurde.
Dazwischen keilen noch die offiziellen Parteimedien „Kontrast“ (SPÖ) und – weniger erfolgreich – „Zur Sache“ (ÖVP) digital um beeinflussbares Publikum. Es kann sich auch im gemäßigten Bereich durchaus mit herkömmlicher Medienkonkurrenz messen. „eXXpress“ hat laut ÖWA 34.000 Tagesreichweite. Das sind deutlich mehr Online-Nutzer als für die Websites von „profil“ (23.000) und „Falter“ (18.000).
Gemeinsam ist all den neuen parteiischen und parteilichen, extremen und moderaten Angeboten, dass sie entgegen aller Kritik ihre Machart als journalistisch bezeichnen. Im rechten Spektrum kommt dazu die Selbststilisierung mit Worten, die ausgerechnet dem gegnerischen Fundus entwendet wurden – vom Querdenken bis zum Alternativen. Die Entlarvung der Propaganda kann nur gelingen, wenn ihr der redaktionelle Journalismus seine Arbeitsweisen gegenüberstellt, sie permanent transparent erklärt und nicht nur neue Regelbrecher anprangert, sondern Fehler der eigenen Zunft gnadenlos thematisiert. Das Publikum muss den Unterschied erkennen können. Dafür zu sorgen, ist Aufgabe des Absenders.
Newsportal arbeitet mit KI
Das von Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt geleitete und Milliardär Frank Gotthardt finanzierte rechtspopulistische „Nius“ hingegen setzt auf Politik-Influenzer wie „eXXpress“, von dem es soeben 50 Prozent erworben hat. Sein Ex-Chef Schmitt ist schon weiter. Er startet 2025 mit einem auf Künstlicher Intelligenz basierenden Newsportal. AUF1 ist nur die kleine Propagandaspitze eines gewaltigen Eisbergs an Desinformation. Viele Demokratien steuern mit Volldampf darauf zu. Die ORF-Redaktion überschätzt das Problembewusstsein der Politik. Der wahre „Appell an die nächste Regierung“ muss sein, die Gefahr zu erkennen und – das gilt auch für die EU-Kommission – Medienregulierung neu zu erfinden.
Peter Plaikner ist Politikanalyst und Medienberater.