Als wäre er zufällig vorbeigekommen, der Kaiser. Sitzt da gemütlich am offenen Kamin und unterhält sich mit dem Hausherrn, der ein bissl untertänig daneben steht. Das Gemälde von Karl Ludwig Friedrich Becker ist eine Art Empfangskomitee der Ausstellung „Holbein. Burgkmair. Dürer. Renaissance im Norden“. Denn das, was man dort sieht, ist inhaltlich reine Schönfärberei. Vertauschte Rollen, sozusagen, denn der wirklich mächtige Mann auf dem Bild ist der Hausherr selbst: Jakob Fugger (1459-1525), einer der reichsten Männer seiner Zeit, der mit viel Geld den Kaiser erst zum Kaiser gemacht hat. Kaufmann, Bankier, Mäzen – wer das Geld hat, hat die Macht und das galt auch für diese Konstellation. Und die Zeit, die war im doppelten Wortsinn goldrichtig: Die Renaissance hievte Europa aus den dunklen Zeiten, die zuvor mit der Pest und diversen kirchlichen Streitigkeiten schwer über dem Kontinent lagen. Der Humanismus hielt Einzug in die Weltsicht, während anderswo neue Welten entdeckt wurden und der Buchdruck mit beweglichen Lettern die Welt neu erfahrbar machte.

Italien war das Epizentrum dieser Umwälzungen, die in Ausläufern auch in andere Städte mit dem Funken des Aufbruchs entzündete. Nicht zuletzt war es die Künstlerschaft, die, durch Reisen nach Italien, in ihrer Kunst diese Veränderung sichtbar machten. Die Fugger und ihr Geld, die machten es möglich. Mäzenatentum, das die Auftragsbücher der Künstler füllten. Mit rund 160 Gemälden, Skulpturen und Artefakten will die Ausstellung (Kurator: Guido Messling) den übergreifenden Geist der Renaissance auf Augsburg greifbar machen.

Im Fokus stehen vor allem die beiden Maler Hans Holbein d.Ä. (um 1464–1524) und Hans Burgkmair d.Ä. (1473–1531), in deren Werken und Zugängen sich diese Veränderungen, der Wille zum Aufbruch, widerspiegeln. Es sind vor allem die Emotionen, die bei Burgkmair von dessen Kenntnis und Leidenschaft für die venezianische Malerei erzählen, während bei Holbein, der noch vielfach der altniederländischen Malerei mit ihren Strukturen, ihrem Realismus und ihrer symbolischer Aufgeladenheit den Vorzug gibt. Da wäre etwa „Die Verlobung der Heiligen Katharina“ (1520), nicht nur fulminant in der Farbgebung und Komposition, sondern vor allem in der inneren Kommunikation und dem Minenspiel zwischen Jesus und Katharina.

Nicht zu vergessen, einen Christus am Ölberg, der von seinen Emotionen völlig überwältigt ist. Aber auch seine Bildnisse, wie jenes des – hier abgebildeten – jungen Mannes aus der Sammlung des Kunsthistorischen Museums, zeigen immer einen Tick mehr Emotion, mehr Ausdruck der eigenen Verfasstheit, als es etwa bei Holbein dem Älteren der Fall ist. Es ist eine Überfülle an Entwicklungen, die die Ausstellung anreißt – von den Innovationen im Bereich der Druckgrafik über Porträtmedaillen, Kleinreliefs bis hin zur Fuggerkapelle, ein dichtes Puzzle, bei dem man bisweilen den Blick auf das große Ganze verliert und das trotz vieler Wandtexte. Abhilfe schafft auf halbem Weg eine Lounge, in der man auf Tablets die grundsätzlichen kunsthistorischen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen der Zeit gut strukturiert aufbereitet findet.

Einem anderen Fest der Künste ist ebenso Raum in der Ausstellung gewidmet: der Fuggerkapelle in Augsburg. Ein Manifest der Finanzkraft, an dem unter anderem auch Albrecht Dürer und Hans Burgkmair beteiligt waren. In Augsburg frönten die Fugger und Welser, wie die Medici in Florenz auch, der Lust der Maximierung. Darin war übrigens auch ein anderer geübt, der sich ebenso gerne in diesem Umfeld und in Augsburg aufhielt: Kaiser Maximilian I., dessen künstlerische Auftragswerke vor allem einem Ziel dienten: Sich selbst in der Geschichte zu verankern. Dafür holte er sich die bekanntesten Künstler seiner Zeit. Kaum verwunderlich, dass eines seiner berühmtesten Porträts von Albrecht Dürer stammt.

Hans Burgkmair d.Ä.: Die Verlobung der Heiligen Katharina, 1520
Hans Burgkmair d.Ä.: Die Verlobung der Heiligen Katharina, 1520 © Landesmuseum Hannover – ARTOTHEK
Die Hl. Katharina (1509/10) von Hans Holbein d.Ä.
Die Hl. Katharina (1509/10) von Hans Holbein d.Ä. © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
Albrecht Dürer (1471–1528), Das Rhinozeros, 1515
Albrecht Dürer (1471–1528), Das Rhinozeros, 1515 © Public Domain