There Will Be Fireworks – Bedroom Door

Ein Jahr, an das man sich erinnern muss. Damit man erkennt, wenn wieder mal eines so zu werden droht, um dann kehrtzumachen, die Uhr zurückzudrehen und nochmal von vorne anzufangen. Die Mittel sind egal, nur das Ergebnis, das es zu verhindert gilt, zählt. Wie wenn man Cat Stevens eine Gesangsmelodie klaut und davor bewahrt, sich im Erwartbaren zu verlieren. Ergebnis erfolgreich verhindert, There Will Be Fireforks.

Orbit – Friday Night (live)

Unvernunft, Unschuld, Unbeschwertheit – da war ja mal was. Erzähl mir von deinem Freitagabend und vermeide die Worte Alter, Alltag und Ansteckungsgefahr.
Nein? Dann hilft die selbstironische Hymne zur Re-Institutionalisierung eines Katharsis, deren Abwesenheit viel zu wenig beklagt wird.

Tell myself/
That I like/
Friday Nights/
I´m in love.

The American Analog Set – Gin Shakes

Die Meister des schüchternen Liedguts, zurück nach fast 20 Jahren im Off. Noch immer schleicht das Schlagzeug um die Gitarren, die selbst unter höchster Anspannung kein bisschen lauter werden. Post-Rock-Jazz, vorgetragen als Kammermusik, völlig aus der Zeit gefallen und doch so grandios zielsicher, weil facettenarm wie die zusammengekniffenen Augen von Clint Eastwood. Spiel mir das Lied vom Kleinod.

Queens of the Stone Age – Time & Place

Die bestverkleidete Popband der Welt, die Sexyness in existenzieller Schwere versteckt, mit der Dampfwalze den Dancefloor betoniert und dieses Mal dem geradlinigen Rock wieder ein paar Stoner mehr in den Weg legt – nur: bringt alles nichts. Aller rhythmischer Seltsamkeit zum Trotz ist „Time & Place“ ein wundervoller Popsong, der mit rumpelndem Chorus und atonalem Finale gerade noch in sein Versteck kriecht. Wer A sagt, muss nicht auch BBA sagen.

Ratboys – Black Earth, WI

Ein Song, so lose und entspannt, weil sich jeder auf den anderen verlassen kann. Klingt so die Liebe, wenn sie sich nach Jahren in etwas anderes verwandelt? Etwas weniger aufdringlich rosa, aber befreit, weil sie nichts mehr beweisen muss? Wo Vertrauen, da auch Raum und Schönheit, da darf eine Gitarre über Minuten ausholen und letztendlich den Beweis antreten, dass ein Solo nie alleine funktionieren kann, selbst das Feedback ist Teil der Harmonie. Am Ende geht es sowieso nach Hause, der Refrain wartet.

Interpol – Big Shot City (Makaya McCraven Interpolation)

Starthilfe für einen alten Motor: Jazz-Tausendsassa McCraven verordnet den angestaubten Interpol ein wenig Beckenarbeit – gemeint sind nicht nur die Drums. „Big Shot City“ wird vom schlafwandlerisch produzierten Schuss in den Ofen zur vom Schlagzeug getragenen Großtat – und für Interpol zur bitteren Lehrstunde: Sprechen Sie bitte nach dem Beat.

James Blake – I Want You To Know

Die britische Elektro-Heulsuse hat seine Tränen getrocknet und zwar keinen neuen Ideen entwickelt, aber dafür so dreist und in zugleich unerwartbarem Fundus geklaut, dass dringender Tatverdacht besteht: he killed it! Der Beat von Burial, aber die Melodie und der Text? Ja, das sind Snoop und Pharell und deren erst 2002 gefundenes einfallsloses Einfallstor in die 90er. Beautiful!

Daphni – Cloudy (Kelbin Remix)

Die Klavierwolke des Originals wird von einem unermüdlichen Beat immer weiter aufgepumpt, bis es am Ende Endorphine regnet. Spotifys taktvoller Algorithmus wrapped den Song zur persönlichen Nummer 1 des Jahres.

Fred again... - Delilah (Pull Me Out Of This)

Man mag jetzt argumentieren, dass der Song schon Ende 2022 erschien. Aber trotzdem beherrschte er diesen Sommer, sobald die Sonne unterging und den britischen Fredl wieder jede Nacht zum Superstar machte. Bei der genauen Analyse dieses Fouls wird der Audioschiri aber auch feststellen, dass erst die sensationelle Version am „Tiny Desk“ bei NPR das Genie hinter der Hymne offenbarte. Und die erschien 2023. Tor zählt, Spiel entschieden. Ein Sommermärchen.

Ilgen-Nur – Purple Moon

Siehe auch: Songs, die ganz ohne künstlerischen Aufhebens auf der ganz großen Bühne daheim wären, wenn sie anstatt aus Deutschland aus den USA kämen. Man könnte jeden Track aus dem wunderbaren Zweitwerk „It´s all Happening“ an diese Stelle setzen – das Ergebnis bliebe immer dasselbe, in Österreich sagt man: diese Melodien gehen dir sicher nicht am Ohr vorbei.

Samy Deluxe – Roter Velour

Alleine für die Zeile „Hunderttausende Follower, aber kaum Nachfolger“ muss man den Man lieben, der einmal mehr im Alleingang die Ehre des guten deutschen Hiphop rettet. Seit Rap bleibt schwer vermittelbar für die Gen Z, die Inhalte gehaltverherrlichend und dazu ein Beat, der schon vor 20 Jahren 20 Jahre alt war: alles also wunderbar. Oder wie Samy sagt: Ich bin das was ihr wüsstet, wenn ihr mehr wüsstet.

Kali Malone – Does Spring Hide Its Joy v1.1

Was von einem Jahr, an dessen Ende ein Sessel am Tisch leer bleibt? Keine Melodie, kein Spannungsbogen, kein Rhythmus, keine Emotion. Nur schwerelose Einsamkeit und die schleichende Einsicht, dass man nie nur Zuhörer ist. Frühling wird kommen und mit ihm wärmere, liebevolle Töne, die zuzulassen wichtig sein wird. Nur in den stillen Momenten, wenn sich der Blick nach innen richtet, muss für immer bewusst sein, dort nicht zu lange zu verweilen, denn: da ist eine Dunkelheit, die bleibt.