Kurzer Status quo – gibt es derzeit qualifizierte IT-Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt?

EDITH BAUMGARTNER: Der Markt ist ziemlich leer gefegt - vor allem im IT-Bereich. Die Bewerber verlangen teilweise Unsummen. Und man muss sich als Unternehmen langsam davon verabschieden, dass der IT-Mitarbeiter Deutsch spricht.

MICHAEL PAGITZ: Bei uns ist die Situation anders. Wir suchen gerade die Leute, die perfekt Englisch können. Deutsch ist nett, aber nicht notwendig. Im Klagenfurter Office sitzen verschiedene Nationen nebeneinander - Franzosen, Australier, .. Die einzige Sprache, die uns alle verbindet, ist Englisch.

ALOIS KONRAD: Die Herausforderung für uns ist es, das Know-how, das in einem Projekt oder in einem Team aufgebaut wird, langfristig zu erhalten. Wir würden schon Abstriche machen und gar nicht mehr nach dem Experten suchen. Wir suchen Menschen, die die Motivation haben, etwas Neues zu lernen und sich weiter qualifizieren wollen.

DIETER JANDL: Wir bemängeln seit Jahren den Expertenmangel im IT-Bereich. Es hat sich wirklich verschärft. Früher war es noch möglich, junge Absolventen aus Schulen, HTSs zu bekommen, junge Talente auszubilden und immer besser im Unternehmen zu integrieren. Das ist kaum mehr möglich, es gibt auch keine Experten mehr.

HANSJÖRG TUTNER: Wir beschäftigen am Standort Graz mehr als 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Slowenien - viele auch in den qualifizierten Bereichen. Insgesamt verändert sich die Arbeitswelt Schritt für Schritt, das ist keine Revolution, das ist eine Evolution. Vor zehn Jahren haben wir noch nicht gewusst, was ein Smartphone ist. Aber wir entwickeln uns mit und so verändern sich auch die Jobs. Als Standort Österreich hatten wir vor Kurzem noch den Vorteil, eine Quelle an Nachwuchstalenten zu haben, die versiegt schön langsam. Wir nähern uns deutschen Zuständen, wo es fast unmöglich ist, Experten zu bekommen, und das schon wirtschaftsgefährdend ist. Genauso wird das bei uns sein. Wir sind in einer Engpasssituation.

Inwieweit müssen sich denn nun die Arbeitgeber verändern?

TUTNER: Die Suche nach Menschen, die in ein klassisches Beschäftigungsfeld wollen, wird immer schwerer, weil sich auch die Menschen verändern. Ich meine damit nicht die Generation X,Y oder Z - das betrifft alle, auch die Anforderungen an den Arbeitgeber werden andere.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

TUTNER: Robotik ist ein Thema, das in unserer Industrie sehr wichtig und auch eine höchste Engpassqualifikation ist. In Deutschland ist jeder dritte Robotiker bereits selbständig und nicht mehr an einer festen Anstellung interessiert. Je qualifizierter und enger der Markt wird, desto mehr werden wir uns dieser Herausforderung stellen müssen, dass die Leute individuellere Angebote wollen, als wir das von unserem Berufsleben noch gewohnt waren.

JANDL: Abgesehen davon, dass uns die Umwelt digitalisiert, verändert sich das Arbeitsumfeld massiv. Wir müssen damit anfangen, verteilt zu arbeiten, mir persönlich ist egal, ob der Mitarbeiter in Klagenfurt, Wien oder Dublin arbeitet. Wir beginnen damit, die Arbeit in andere Länder zu verteilen. Offshore-Konzepte werden moderner, ob uns das gefällt oder nicht. Wenn man Entwickler in großem Stil sucht, und gefunden hat, gelingt es nicht mehr, sie in Österreich anzustellen. Und jeder Arbeitsplatz wird stärker mit IT zu tun haben, als jetzt.

Welche Bereiche wird die Digitalisierung massiv betreffen?

BAUMGARTNER: Sämtliche Bereiche – jeden Produktionsbereich, Supply Chain, Rechnungswesen, Digital Marketing, ...

PAGITZ: Viele glauben, dass sie Social Media können, weil sie auf Facebook sind und das quasi schon Werbung ist. Teils sind die Unternehmen nicht bereit, in diesen Bereich zu investieren und die Akzeptanz im Unternehmen ist teilweise noch immer nicht gegeben.

Absolventen der Fachhochschulen werden stark nachgefragt, wie viele bilden Sie aus?

WOLFGANG EIXELSBERGER: Wir könnten mehr ausbilden, es kommen leider zu wenige nach. Programmierung schreckt ab. In allen Bereichen, im Digital Marketing zum Beispiel, ist es de facto unmöglich, jemanden zu finden. Unternehmen gehen immer mehr dazu über, ihre Stammmannschaft selbst auszubilden. Wir gehen verstärkt in berufsbegleitende Studien hinein, weil der Bedarf immer stärker steigt.

TUTNER: Bei uns beginnt es bei der Facharbeiterausbildung, wir forcieren das duale Studium und alles Berufsbegleitende bekommt von uns einen massiven Förderungsschub. Was paradox ist: Zum einen ist da die demografische Falle, zum anderen hören wir überall, dass uns die Digitalisierung die Arbeitsplätze wegrationalisieren wird. Momentan ist genau das Gegenteil der Fall.

Welche Jobs werden in Zukunft stärker nachgefragt, welche bringt die Digitalisierungswelle mit sich?

JANDL: Gut ausgebildete Fachkräfte werden in Österreich, in Europa, immer einen guten Job haben. Das wird sich in nächster Zeit noch mehr herauskristallisieren. Alle, die mit digitalen Medien in irgendeiner Form, mit technischem Verständnis ihre Zukunft sehen, wird einen Vorteil haben. Wir suchen in allen Bereichen der Technik – Industriebetriebe, Servicedienstleister, Baubranche - mir fällt kein Dienstleister ein, der künftig nicht stärker digitalisieren muss. Ich kann nur jedem Jungen raten, sich zu überlegen, wie sein Berufsbild ausschaut. Suche ich „Marketing communication“ bekomme ich 25 unterschiedliche Bewerbungen, suche ich einen IT-Techniker mit einem bestimmten Know-how, wird es schon knapp oder extrem teuer.

KONRAD: Ich würde es gar nicht auf die IT einschränken. Es gibt spannende Jobs Richtung Übersetzung in die Fachbereiche hinein. Wenn ich eine Software für die Logistik, für Produktionsoptimierung oder Audit Management mache – da braucht es Querschnittsfunktionen, die vom Fachexperten zur IT übersetzen - in beide Richtungen. Das sind Jobs die schwer ersetzbar und zukunftsträchtig sind.

Ein schwarzes Zukunftsszenario gezeichnet: Was, wenn es irgendwann keine Mitarbeiter mehr gibt und die Unternehmen gezwungen sind, nicht mehr auf Menschen zu bauen, sondern andere Wege – Stichwort Robotik– zu finden?

TUTNER: Das bestimmt der Markt. Dort wo es notwendig ist, wird entsprechend ausgestattet, aber ich bin der tiefsten Überzeugung, dass der Mensch weiterhin eine ganz wichtige Rolle spielen wird. In anderen Rollen, als er sie heute spielt – wieder eine Evolution. Aber dass man den Menschen komplett wegdiskutieren kann, da sind wir noch weit weg.

Was sagen Sie, wenn jemand im Vorstellungsgespräch nach Home Office oder anderen Arbeitsmodellen fragt?

TUTNER: Wir haben momentan 500 aktive Home-Office Nutzer, wir versuchen das zu unterstützen.

JANDL: Das wird selbstverständlich werden. Wer sich als Unternehmen den Anforderungen nicht stellt, wird weniger Talente bekommen. Wer nicht das Umfeld schafft, dass sich die Mitarbeiter wohlfühlen, wird sich in Zukunft schwerer tun. Das Modell – ich arbeite 40 Jahre in einem Betrieb – ist nicht mehr das Modell der nächsten Jahre.

EIXELSBERGER: Es sind teils Phasen, in denen man in einem Projekt sehr intensiv arbeitet und dann für ein paar Wochen oder Monate komplett aussteigt. Das sind völlig neue Arbeitsformen, die entstehen und ein völlig neues Denken.

Traditionelle Unternehmen tun sich vermutlich schwer, sich auf die neuen Bedingungen einzustellen.

BAUMGARTNER: Es ist eine Herausforderung für Mitarbeiter, die 20 Jahre in einem Unternehmen sind. Sie sind ein anderes Arbeiten gewohnt, als die jungen, die reinkommen und flexibel arbeiten wollen. In manchen Unternehmen hat man keinen fixen Arbeitsplatz mehr, man hat Laptop, Handy und setzt sich hin, wo gerade Platz ist.

PAGITZ: Wir sind sehr flexibel was die Arbeitszeiten angeht. Im letzten Winter war sehr schön in Kärnten - ich gehe gern Schitouren und war am Nachmittag oft am Berg unterwegs, nicht im Büro. Dafür habe ich am Wochenende gearbeitet. Die Flexibilität muss man mitbringen, die haben bei uns auch die Mitarbeiter. Es gibt jeden Tag einen Fixtermin bei den Developern, ein Stand-up-Meeting, wo man physisch oder über Google Hangouts da sein muss. Danach arbeitet wieder jeder, wie er will, in seinem Tempo, kann kommen und gehen, wann er will. In vielen Unternehmen hängen wir noch immer in dieser Nine-to-five-Mentalität fest. Der sitzt nicht da, sonder ist zuhause und tut nichts, heißt es da. Vor allem ältere Mitarbeiter glauben, dass man nur als produktiv gilt und wertgeschätzt wird, wenn man im Büro vor dem Monitor sitzt. Dass ich das von zuhause aus auf der Couch machen kann, sehen viele nicht.