Starrende Blicke ohne dazugehörige Gesichter beunruhigten ihn noch nie. Schon als kleiner Bub saß Bernd Schreiner spielend in der Werkstatt seines Großvaters, während dieser über der Flamme Glasröhrchen zu Augäpfeln und schließlich zu Augenprothesen formte. "Viele sagen bei ihrem ersten Besuch, dass sie sich schon etwas beobachtet fühlen", so der 49-jährige Ocularist heute, auf dessen Arbeitstisch zig Glasaugen-Rohlinge liegen, fein säuberlich nach Augenfarben sortiert. Sie haben noch die Form eines Augapfels, werden später aber zu einer Schale geschliffen, da viele Augenhöhlen nicht genügend Platz bieten.
Arbeitsalltag für Bernd Schreiner. Der Grazer ist einer von insgesamt drei Ocularisten in Österreich. Seit mittlerweile 32 Jahren beschäftigt er sich mit der Herstellung und Anpassung von Augenprothesen. Oder wie der Volksmund sagt: Glasaugen. "Ich war immer fasziniert und bin damit aufgewachsen", so der Ocularist im weißen Kittel hinter seinem wuchtigen Tisch, vor dem regelmäßig vom Leben und von Krankheit Gezeichnete Platz nehmen. Mehrere Tausend Patienten in Österreich werden von Schreiner behandelt. Der Augenprothetiker fertigt seine Prothesen auch regelmäßig in Krankenhäusern und -kassen in ganz Österreich an, um den Patienten Fahrtwege zu ersparen.
Begleitung, ein Leben lang
"Früher sind viele Kriegsversehrte gekommen. Heute sind es vor allem Menschen, die ein Auge aufgrund von Krankheiten, Tumoren, Fehlbildungen oder Unfällen verloren haben. Es sind alle Altersgruppen vertreten, vom Kind bis ins hohe Alter." Seine Patienten begleitet Schreiner ein Leben lang, da die Prothese laufend angepasst oder erneuert werden muss, weil die Tränenflüssigkeit das Glas aufraut.
Schreiner hat das Handwerk von seinem Großvater erlernt. "Eine Meisterprüfung zum Ocularisten gibt es in Österreich in diesem Sinne nicht. Ich habe die Kassenzulassung sämtlicher österreichischer Versicherungsträger. Deswegen können die Patienten auch per Verordnungsschein zu mir kommen." Bei der Innung ist der Augenprothetiker in der Sparte "Gesundheitsberufe" angesiedelt.
Umgang mit den Menschen
Natürlich geht es bei der Tätigkeit des Ocularisten nicht bloß um das handwerkliche Geschick, es geht auch um den Umgang mit den Menschen. Rund zwei Wochen verstreichen nach dem medizinischen Eingriff, bis die Patienten nach Abstimmung mit ihrem behandelnden Arzt zu Schreiner kommen. Die Herstellung der Prothese wird zur Gänze von der Krankenkasse übernommen, weil das Glasauge auch einen wichtigen Schutz für die Augenhöhle darstellt. "Der Patient sollte aber persönlich kommen. Bei der Augenfarbe geht es ja auch um Lichteinfall, da kann man nicht anhand eines Fotos arbeiten", sagt Schreiner während er einem Glasauge mit feinen roten, gelben und grauen Glasfäden Adern verpasst, sodass es nicht mehr so ausgeschlafen aussieht.
Filigrane Arbeit, die Konzentration erfordert. Für die Herstellung einer Prothese braucht der Ocularist zwei bis drei Stunden. Nach seiner Fertigstellung ist das Glasauge aber der erste Schritt zurück in ein normales Leben. "Viele kommen gebückt herein und gehen erhobenen Hauptes wieder raus. Das Lachen meiner Patienten ist mein größter Lohn. Wenn die Leute zu mir kommen, haben sie das Schlimmste hinter sich - den Eingriff. Mit der Prothese kann man alles machen. Wir haben sogar einen aktiven Eishockey-Spieler unter unseren Patienten."