Plausibel erklärt: Sie haben sich zusammengetan, um jenen eine Plattform zu geben, die sich im wahrsten Sinne des Wortes im Unruhestand befinden. Klaudia Bachinger und Carina Roth geben mit „WisR“ Senioren die Chance, nach der Pension weiterhin am Arbeitsmarkt mitzumischen. Die „Silver Ager“ können auf der Plattform ihr Profil posten und ihre Erfahrung in projektbasierten, saisonalen sowie Teilzeitjobs anbieten.

Aus der eigenen Erfahrung können die beiden zwar nicht sprechen – zumindest, was den Pensionsschock betrifft. Aber dafür umso mehr, was junge Frauen in der Geschäftswelt erwartet, und vor allem, was sie mitbringen müssen, um sich zu behaupten und das eine oder andere Hindernis zu umschiffen. Bevor Klaudia Bachinger und Carina Roth 2017 aber gemeinsam mit Kollege Martin Melcher WisR gründeten, hat jedoch jede für sich ihre Erfahrungen gemacht.

Die 33-jährige Klaudia Bachinger verschlug es nach ihrem Französisch- und Politikwissenschaftsstudium in Wien in die Filmbranche. „Ich war bei Spielfilmen in der Produktion für Skript und Dialog zuständig. Später war ich auch Dialogcoach.“

© Oliver Wolf


Danach wechselte die Oberösterreicherin zu einer Produktionsfirma, die den Fokus auf Reportagen und Dokus legte. „Da bin auch zum ersten Mal mit den Themen ,Silver Society‘ und ,New Work‘ in Kontakt gekommen.“ Doch nach gewisser Zeit wuchs die Unzufriedenheit über den Managementstil einer der Chefs. Die Tatsache, dass ihr Assistent mehr verdiente als sie, war schließlich das Tüpfelchen auf dem i, um zu kündigen.


„Ich wollte mich nicht mehr ausbeuten lassen. Ich hatte auch nie Angst, keinen Job zu finden. Irgendetwas findet man immer.“ Danach pilgerte Bachinger einmal nach Rom und begegnete auf dem Weg vielen Senioren, die spannende Geschichten im Gepäck hatten. Alle hatten einen Grundtenor: Ich fühle mich nicht mehr gebraucht, seit ich in Pension bin. Außerdem: Ich würde mein Wissen gerne weitergeben.

„Hier kam mir eigentlich schon die Idee zu WisR“, erinnert sich die 33-Jährige. Als sie nach Wien zurückkehrte, begab sie sich auf die Suche nach einem Team. Es sollte fast ein Jahr dauern, bis sie auf Carina Roth traf. Roth: „Wir haben uns bei einem Gründerevent getroffen. Sie hat mir in einem Satz erzählt, was sie machen will, und am nächsten Tag habe ich ihr zugesagt.“


Carina Roth war zuvor in Genf als Traderin im Rohstoffhandel tätig. „Das war so etwas Fremdes und Gefährliches. Nachdem ich meinen Master der Webster in Wien in der Tasche hatte, habe ich mich bei 80 Firmen beworben, bis es geklappt hat. Ich war dann auch bei Personalvermittlern und Headhuntern: Jeder hat gesagt, dass ich da nicht reinkomme, weil es so ein geschlossener Markt ist. Außerdem hatte ich keine Erfahrung in der Schweiz oder im Trading.“ Also ging die heute 31-Jährige den Umweg, um ans Ziel zu kommen. „Ich habe mich um eine andere Stelle beworben und bin nach sechs Monaten dann endlich im Trading gelandet.“

Das Motto der Steirerin: Vieles ist Zufall, aber man muss die Zufälle eben auch herausfordern. Carina Roth war schließlich drei Jahre für die Firma tätig. Bis sie sehr lange auf die versprochene Beförderung warten musste und schließlich feststellen musste, dass von den vier Junior Tradern die beiden Frauen weniger verdienten als die Männer. Die erste Parallele zwischen den beiden Frauen.

„Ich komme aus einer Unternehmerfamilie und wollte das eigentlich schon immer machen. Ich dachte: Das ist jetzt die Chance.“ Sie kehrte nach Österreich zurück und besuchte Gründer-Events, wo sie schließlich auch auf ihre heutige Kollegin Klaudia Bachinger traf und auf Anhieb von ihrer Idee begeistert war.

Was die beiden Frauen jungen Geschäftstüchtigen raten würden? Vieles, aber vor allem beim Netzwerken mit Köpfchen vorzugehen. Klaudia Bachinger: „Ich denke, dass ein Netzwerk essenziell ist, wobei man hier auch unterscheiden muss zwischen Netzwerken wie: Ich gehe von Veranstaltung zu Veranstaltung und rede dort mit so vielen Leuten wie möglich. Ich sehe es so, dass weniger, aber dafür gute Kontakte wichtiger sind als viele lose. 10 bis 20 Leute, die man schätzt und die man immer fragen kann, die sind schon wichtig. Bei uns sind es Investoren und Mentoren. Es sind aber auch andere Gründer, und das ist halt hilfreich. Weil wir viele Fehler nicht machen und eben auch Zeit sparen.“ Auch in Sachen Mitarbeitersuche sei ein funktionierendes Netzwerk nicht zu unterschätzen, wirft Roth ein: „Wenn es zum Beispiel darum geht, dass man Leute einstellen muss, und man hat keine Bekanntheit, dann bewirbt sich vielleicht auch niemand für den Job. Es ist halt so: Sucht man beispielsweise eine Steuerberaterin, dann fragt man sein Netzwerk. Man bekommt eben Abkürzungen hin, die man vielleicht sonst nicht hinbekommen hätte, wenn man versucht, alles immer alleine zu machen.“

Und weil man nicht immer alles alleine machen kann, seien auch Mentoren und Führungskräfte, die Potenziale und Stärken früh entdecken, fordern und fördern, entscheidend. „Vor allem in großen Unternehmen. Man muss für gewisse Positionen einfach vorgeschlagen werden, weil bei jeder ausgeschriebenen Position Führungskräfte gefragt werden, ob sich jemand aus ihrem Team dafür eignet“, spricht Roth aus Erfahrung. Dass man als Frau aber hin und wieder unterschätzt wird, sieht Klaudia Bachinger zumindest in gewissen Situationen als Vorteil an. „Wenn es zum Beispiel darum geht, dass man etwas herausfinden möchte und Fragen stellt und zuhört. Dann sind die Menschen nämlich sehr gewillt, dir alles zu erzählen. Da kann man die Leute überraschen und zeigen, dass man doch nicht so naiv und jung und klein ist.“

Vor allem aber, wenn es um größere Summen geht, merken beide Frauen, dass ihnen der Umgang mit so viel Kapital oftmals nicht zugetraut wird. Carina Roth: „Es ist schade, dass es noch immer so wenige Investorinnen gibt, deswegen bekommen auch weniger Gründerinnen Geld.“ Obwohl man schon merke, wenn zum Beispiel das männliche Gegenüber Vater einer Tochter sei, erklärt Bachinger: „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Männer, wenn sie selbst Töchter haben, offener und eher gewillt sind, anderen jungen Frauen zu helfen. Weil sie wissen, dass es ihrer Tochter einmal genauso gehen wird.“