Einer der wohl letzten warmen Herbsttage taucht langsam ins tiefe Abendrot ab. Die Monate des Wintersemesters begrüßen Tausende Studierende zurück am Campus. Die FH-Studentin Eva Kienzl und der Uni-Graz-Student Lukas Spielhofer entfernen sich Schritt für Schritt in die Berufswelt. Sie werden in Zukunft lernen müssen, mit ihrem erworbenen Wissen richtig zu hantieren. Zeit für eine intensive Spurensuche in der jeweiligen „Werkstatt".

Frau Kienzl, Sie haben Ihre „Meisterstube" in einer Hochschule gefunden, Sie, Herr Spielhofer, in der klassischen Universität. Sie beide „studieren". Was eigentlich?

"An der Uni kann ich in meinem Tempo arbeiten. Dadurch hole ich mehr aus mir heraus."Lukas Spielhofer
"An der Uni kann ich in meinem Tempo arbeiten. Dadurch hole ich mehr aus mir heraus."Lukas Spielhofer © Großschädl

LUKAS SPIELHOFER: Ich bin 24 Jahre alt. Ja, was mache ich? Ich habe klassische Philologie, also Latein und Altgriechisch, sowie Pädagogik und Französisch studiert. Ich habe, wenn man so will, in verschiedene Studienrichtungen hineingeschnuppert, ursprünglich mit Pädagogik und Latein begonnen, Ersteres mit dem Bachelor abgeschlossen und Letzteres nach einiger Zeit in ein Lehramtsstudium umgewandelt. Nun bin ich Doktoratsstudent mit einer Anstellung an der Fakultät und unterrichte zudem am Akademischen Gymnasium in Graz als Unterrichtspraktikant.EVA KIENZL: Ich bin ebenfalls 24 Jahre alt und habe einen etwas anderen Weg eingeschlagen und an der Fachhochschule Joanneum meinen Bachelor in Journalismus und Public Relations und meinen Master in Public Communications abgeschlossen. Ich bin seitdem direkt an der FH in diesem Bereich angestellt.

Welches Klischee fällt Ihnen zum jeweils anderen Hochschultypus als Erstes ein? Wie schaut eine stereotypische FH-Studentin aus, wie ein Student der geisteswissenschaftlichen Fakultät?

KIENZL: Ich muss an viel zu viele Studierende denken, die am Boden sitzen müssen und lediglich eine Nummer im System sind. Keiner hilft ihnen ... SPIELHOFER: Mein Vorurteil betrifft die Ausbildung an sich, weniger die Studierenden. Für mich steht die Fachhochschule für den Einfluss von Firmen auf die Art des Studiums.

Herr Spielhofer, eine Nummer im System zu sein, ist kein Problem für Sie?

SPIELHOFER: Ich kann das durchaus nachvollziehen. Dadurch, dass ich sowohl ein sehr großes als auch ein sehr kleines Studium hinter mir habe, kenne ich beide Enden des Spek­trums. In den großen Studienfächern ist es in der Tat so, dass man sich als Individuum nicht wirklich repräsentiert fühlt.

"Ich habe mich in dem geschützten schulischen Rahmen der FH immer wohlgefühlt." Eva Kienzl
"Ich habe mich in dem geschützten schulischen Rahmen der FH immer wohlgefühlt." Eva Kienzl © Großschädl

KIENZL: Auch ich verstehe, was Lukas meint. Das FH-System ist ja in der Tat darauf ausgelegt, Studierende genau so auszubilden, wie die Wirtschaft sie benötigt. Die Struktur ist viel konkreter. Man weiß vorab, in welchem Bereich man später einmal arbeiten wird.Wie eng sollte Ihrer Meinung nach das Korsett einer Ausbildung sein?

SPIELHOFER: Angenommen, jedes Studium hätte wie an einer Hochschule einen fix vorgegebenen „Arbeitsplatz": Ich wüsste nicht, ob ich mich als Schulabgänger für die klassische Philologie entschieden hätte. In meinem Bereich kann man es sich nicht leisten, nur in eine Richtung ausgebildet zu werden. Ich muss rundum erlernen, um einsatzfähig zu sein.

KIENZL: Natürlich kann das System der Fachhochschule für den einen oder anderen viel zu eng geknotet sein. Ich denke, es kommt ganz auf die Person an. Ich habe mich in diesem geschützten schulischen Rahmen, aus dem man nicht so leicht rausfallen kann, immer wohlgefühlt.

SPIELHOFER: Ebendieser vorgefertigte Rahmen hat mich in meiner Schulzeit behindert. An der Uni kann ich in meinem Tempo arbeiten. Dadurch konnte ich aus mir selbst viel mehr herausholen.

Was würden Sie an Ihrer eigenen Hochschule gerne verändern?

KIENZL: Die Möglichkeit der freien Wahlfächer der Universität würde ich an der FH sehr schätzen. Die über den eigenen Themenbereich hinaus vertiefende Arbeit mit anderen Aspekten.

SPIELHOFER: Die Problematik der Universitäten liegt im Bereich der Vernetzung. Ich weiß von Kommilitonen, die verzweifelt nach Betreuern für die Masterarbeit suchen.

KIENZL: Genau deshalb ist die Fachhochschule bereits auf einer niederschwelligeren Ebene anwendbar. Wenn ich PR studiere, weiß ich bereits im Studium, an wen ich mich wenden muss, wenn ich etwa Kontakte zu einer Sportredaktion benötige.

SPIELHOFER: Das stimmt. Dieses Netzwerk gibt es aber auch an meiner Universität. Die Selbstorganisation muss jedoch von jedem selbst geleistet werden.

Hat ein Germanistikstudent beispielsweise schlechtere Karten bei einer späteren Anstellung als ein PR-Absolvent der FH, weil dieser längst schon Kontakte in die „echte Arbeitswelt" hat?

SPIELHOFER: Nein, das glaube ich nicht. Niemand hindert einen Germanistikstudenten da­ran, neben dem Studium bereits Praxiserfahrung zu sammeln.

KIENZL: Praktisch in die Berufswelt eintauchen kann man an der Universität streng genommen bereits viel früher. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass sich ein FH-Studienplan mit einem Praktikum nebenher nur schwer vereinbaren lässt.

Haben Sie, Herr Spielhofer, nicht eigentlich ein „Taxifahrerstudium" absolviert, mit dem man letztlich nichts anfangen kann? Muss man heutzutage unbedingt studiert haben, um Karriere zu machen?

KIENZL: Am Ende jedes Studiums, egal ob FH oder Uni, stellt man sich, glaube ich, die Frage: Was habe ich jetzt eigentlich alles gelernt? Wofür brauche ich das überhaupt? Den Berufsalltag kann man nicht wirklich studieren.

SPIELHOFER: Dem kann ich zustimmen. Da geht es darum, nicht bloß ein Ursache-Wirkung-Verständnis zu erlangen, sondern die Frage nach dem Warum zu stellen. Ich kenne viele Kollegen mit sogenannten „Taxifahrerstudien". Keiner von ihnen ist heute arbeitslos. Es kommt auf die Leidenschaft an, auf den selbstständigen Willen.

Sind Sie beide gleich breit aufgestellt?

SPIELHOFER: Ich glaube nicht, dass man so etwas messen kann.

KIENZL: Breit ist nicht zwingend gut. Ist nicht vertieft in einem Bereich besser?