Hat sich bei Ihnen schon in sehr frühen Jahren herauskristallisiert, dass Sie einmal mit Film zu tun haben wollten?

ANDREAS THIM-TABAN: Gar nicht. Es war nur so, dass ich mich in der dritten Volksschulklasse einmal zwischen zwei Freigegenständen entscheiden musste. Englisch oder Fotokurs. Ich wählte den Fotokurs, und wahrscheinlich war es der direkte Kontakt mit dem Bild, der mein späteres Leben beeinflusst hat.

Was geschah nach dem Schulabschluss?

THIM-TABAN: Studieren wollte ich nicht, ich dachte an eine kaufmännische Lehre. Ich war 15 und noch nicht gefestigt. Meine Schwester hat dann die Lehrstelle beim Constantin-Filmverleih für mich gefunden. Dabei hat das Wissen um meinen früheren Fotokurs eine Rolle gespielt. Sie stellte wohl eine Assoziation zwischen Foto, Film und Kino her. Wobei meine Schwester keinen blassen Schimmer hatte, was die Constantin-Film war. Sehen wir das Ganze also als "Verbindung von Zufällen".

Sie haben das Verleihgeschäft demnach von der Pike auf gelernt?

THIM-TABAN: Ja, das kann man wirklich sagen. Ich habe am 3. September 1979 bei der Constantin-Film in Wien-Neubau begonnen, meine erste Abteilung war die Disposition. Das heißt im Klartext: Kontakte mit Kinobetreibern, viele Gespräche, Buchungen. Natürlich standen am Anfang so "bedeutende" Tätigkeiten wie zum Beispiel Kalender schreiben, Versandlisten erstellen, Karteien schlichten. Und so durchwandert man dann eine Abteilung nach der anderen. Das war absolut die beste Schule, und ich hatte das Glück, auch noch einen großen Förderer zu haben. Verleihchef Anton Langhammer wurde mein Mentor und meine Vater-Ersatzfigur, denn ich bin ohne Vater aufgewachsen.

Wie lange blieben Sie bei dieser Firma?

THIM-TABAN: Fast zwanzig Jahre. Am Ende war ich Sales-Manager, besorgte den Filmeinkauf für die gesamte Kinokette der Constantin-Film. Klar, dass dann einmal die Frage auftauchte, wie es weitergehen wird. Ich war knapp 35 - heute nähere ich mich dem Fünfziger - und die Alternativen waren: Weiter dort bleiben oder den Horizont erweitern? Ich entschied mich für den Horizont, wechselte zur CineStar-Gruppe in Deutschland, für die ich neue Standorte von Multiplex-Kinos erschließen sollte. Eine interessante Aufgabe, die mich in alle möglichen Gegenden führte. Istanbul, Stockholm, Spanien und so weiter. Meine erste Aufgabe war Zagreb, und dieses Projekt hat sich toll entwickelt, wurde einer der größten Kinobetriebe in Kroatien. Diesen Job machte ich vier Jahre lang.

Und dann?

THIM-TABAN: 2004 wurde ich beim 3L-Filmverleih in Dortmund Verleihchef, bevor ich nach Wien zurückkehrte. Hier gründete ich 2006 meinen eigenen Verleih, 2008 hatte ich meinen ersten Film, nämlich "Ein echter Wiener geht nicht unter" mit Karl Merkatz. Ein Glücksfall, mit dem wenige gerechnet hatten, ein toller Einstand. Denn das wurde ein Riesenhit und ein prima Fundament. Wir erhielten dafür sogar das "Golden Ticket".

Ihr Vorteil beim Filmeinkauf?

THIM-TABAN: Da gibt es einiges, etwa das über Jahre erworbene Know-how. Oder die Kenntnisse des Marktes. Und trotzdem gibt es keine Garantien. Wenn man selbst von einem Film begeistert ist, heißt das noch lange nicht, dass er auch die Zuschauer begeistert. Erfolg und Misserfolg liegen knapp beieinander. Glück gehört natürlich auch dazu. "Dallas Buyers Club" etwa hatte ich bereits im September "ungeschaut" eingekauft. Am Ende gab es für diesen Film sechs Oscar-Nominierungen und drei Oscars. Das wirkt sich auch auf die Besucherzahlen aus. Stolz ist man natürlich, wenn man mit österreichischen Produktionen Erfolge hat. Werner Bootes Doku "Plastic Planet" etwa wurde ein Überraschungserfolg. Bei "Atmen" von Karl Markovics hatten wir 100.000 Besucher, obwohl mir alle maximal 10.000 prophezeit hatten. Aber, wie gesagt: der Filmeinkauf bleibt ein Pokerspiel.

Wie viel Glamour bekommen Sie am Rande mit?

THIM-TABAN: Sie meinen das Händeschütteln mit Stars? Ja, ich habe zum Beispiel Mel Gibson die Hände geschüttelt. Ich habe den großen Produzenten Bernd Eichinger mehrmals getroffen. Und das war jedes Mal ungemein beeindruckend. Doch das alles ist für mein Geschäft unerheblich. Da zählen nicht die glamourösen Begegnungen, sondern Fakten.

Wie viele Stunden hat Ihr Tag?

THIM-TABAN: Daran denke ich gar nicht. Der Sonntag ist für mich jedenfalls ein stinknormaler Arbeitstag, denn da kommen die Kinoergebnisse vom Wochenende rein, und die sind für die ganze Branche sehr wichtig.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, würden Sie alles noch einmal so machen?

THIM-TABAN: Ich würde natürlich versuchen, gewisse Fehler zu vermeiden. Aber sonst: ja, definitiv. Wobei ich nach 35 Jahren im Film- und Kinogeschäft gerne zugebe: Ich bin noch immer ein Fachidiot.