In welchem Bereich herrscht momentan der größte Bedarf an qualifiziertem Personal?

SUSANNE ANDERWALD: Schwierig ist es im Bereich Kinder- und Jugendhilfe, weil wir die Vorgabe haben, dass zwei Jahre Berufserfahrung vonnöten sind. Da scheitern viele, die etwa von der FH kommen. Immer wieder eine Herausforderung ist es, im Pflegebereich Mitarbeiter zu finden. Man merkt den Kampf um die besten Köpfe.

VERONIKA RABL: Wir schreiben laufend Stellen in den Kernbereichen aus. In manchen Fächern ist es nahezu unmöglich nachzubesetzen und es wäre ohne die eigene Ausbildung nicht schaffbar. Es ist schwierig, Pathologen am Markt zu finden, ebenso wie Neurochirurgen. Wir spüren, dass es weniger Turnusärzte gibt, jedes Bundesland steht vor der Herausforderung. Mein Eindruck ist, dass nun mehr Ärzte in die Assistenzarztausbildung gehen. Ich sehe das nicht negativ, das ist einfach die Zugrichtung, die die medizinische Ausbildung nehmen wird.

Kurz stand im Raum, dass Schwestern Tätigkeiten von Ärzten übernehmen sollen, wäre das eine Lösung für Sie gewesen?

RABL: Es gibt eine Arbeitsgruppe dazu - das Thema ist von den Medien allerdings anders aufgegriffen worden. Überlegt wurde unter anderem, ob es nötig ist, dass Assistenzärzte neben dem Chirurgen stehen und einfache Geräte halten müssen, wenn diese auch in Maschinen eingehängt werden können.

Wird es den klassischen OP-Helfer weiterhin geben?

RABL: Natürlich, er hat eine Aufwertung erfahren - als OP-Assistent. Er übernimmt wichtige Aufgaben wie die Lagerung des Patienten, das kann keine Maschine.

Wohin geht der Trend - was wird künftig stärker gefragt sein?

SANDRA ZACH: Hohe Qualifikationen und Berufserfahrung sind gefragt, deshalb tun sich manche mit dem Einstieg schwer, weil die Anforderungen der Unternehmen von Haus aus gestiegen sind. Sie wollen es sich immer weniger leisten, Leute auszubilden.

Wo bestehen bereits oder sind künftig Engpässe zu erwarten?

ZACH: In unterschiedlichen Bereichen im Krankenhaus, im Pflegebereich, in der Führungsebene spitzt es sich in den nächsten Jahren zu. In Deutschland war der Ärztemangel in den letzten fünf Jahren schon ein großes Thema, in Österreich kommt er langsam an. In Deutschland ist es bereits gängig, dass Ärzte über Personalberater rekrutiert werden. Im Pharmabereich werden nach wie vor Leute für den Pharmaaußendienst aufgenommen. Chemielaboranten, Chemiker, Qualitätskontrolle sind ein Thema in produzierenden Betrieben.

FRANZ FERNER: Auf unserer Online-Plattform suchen wir derzeit etwa sieben Diplomkrankenschwestern - das sind recht wenige für die Größe des Unternehmens. Die aktuelle Situation ist also nicht brandgefährlich.

Warum ist das so?

FERNER: Eines unserer Erfolgsmodelle sind innerbetriebliche Karrieren. Derzeit sind 121 Mitarbeiter in einer Weiterqualifizierung. Wir haben Kolleginnen, die sich etwa für Demenzbeauftragte oder letzte Lebensfragen qualifizieren - die müssen auch nicht im Pflegeberuf sein. Wir achten darauf, dass wir Leute spezialisieren und ermöglichen kleine Karrieren.

RABL: In allen Bundesländern gibt es Initiativen, neue Berufsbilder zu etablieren. Zum Beispiel den medizinischen Organisationsassistenten. Auf der anderen Seite - eingeschränkt auch im inhaltlichen Bereich -, ein zertifizierter Wundmanager kann eine Wunde prinzipiell genauso gut begleiten wie ein Arzt.

Wird es künftig nötig sein, neue Berufe zu schaffen, um auf die Bedürfnisse der älteren Generation eingehen zu können?

ANDERWALD: Unsere Ausbildungseinrichtungen gehen bereits darauf ein. Menschen mit Behinderung im Alter sind eine spezielle Herausforderung, da ist aber die Gesellschaft gefragt, darauf eine Antwort zu finden. Allein schon, weil diese Menschen keinen Pensionsanspruch haben.

FERNER: Uns fehlt es an der Kultur, mit dem Altwerden umgehen zu können. Die skandinavischen Länder haben mehr Ideen dazu.

Ist der Pflegeberuf attraktiv für Wiedereinsteigerinnen?

RABL: Natürlich, ich halte die Pflege grundsätzlich für attraktiv. Das Einstiegsgehalt ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mit dem Qualifikationsniveau sehr gut. Man hat viele Möglichkeiten, sich fachlich weiterzuentwickeln. Ein Pflegehelfer hat die Bandbreite vom Kinderbereich bis zu chirurgischen Einrichtungen. In den medizinischen Assistenzberufen, etwa als Röntgenassistent, kann man sich unter anderem als Gipser ausbilden lassen. Die fachlichen Entwicklungsmöglichkeiten sind vielfältig.

Stichwort Erhalt der Arbeitsfähigkeit . . .

ZACH: Viele Unternehmen widmen sich bereits dem Thema nach dem Motto "fit for work".

ANDERWALD: Kinästhetik gehört zu den am besten gebuchten Weiterbildungen bei uns.