Wie groß ist der derzeitige Bedarf an Pflegepersonal?

BETTINA SCHWITZER: Wir steuern auf einen Fachkräftemangel hin, das ist ganz klar. Im Norden Österreichs ist er schon stärker spürbar. Das Problem ist, dass wir nicht wissen, wie viele Kräfte wir brauchen werden - nur, dass wir sie brauchen. In Österreich haben wir nicht einmal eine Registrierung, um den Bedarf für die Zukunft errechnen und die Qualifikationen steuern zu können. Wir brauchen aber unbedingt und dringend eine.

HARALD KAPELLER: Pflege wird in Zukunft noch stärker gebraucht. Der Bedarf an Fachkräften wird noch steigen, nicht nur in den öffentlichen Krankenhäusern. Es wird immer mehr Singlehaushalte geben, immer weniger werden auf ihre Eltern aufpassen können.

Wie kommen Sie zu geeignetem Pflegepersonal?

SUSANNE HARRINGER: Wir haben etwa im Altenpflegebereich einen guten Weg gefunden, Personal zu "rekrutieren". Wir betreiben eine eigene Schule, die im Pflegebereich ausbildet und konkret mit einem Ausbildungsplatz anschließt. Während der Ausbildungsphase wird ein 75-prozentiges Dienstverhältnis angeboten, die Kosten werden von uns übernommen. Für die Dauer der Ausbildung werden auch Praxismöglichkeiten geschaffen.

Wie kann man in einem Pflegebetrieb die Kosten senken, ohne am Menschen zu sparen?

SCHWITZER: Es muss eine Spezialisierung und eine Differenzierung geben. Es kann nicht jeder alles in der Pflege machen und man muss auch nicht überall hoch qualifizierte Kräfte einsetzen. So wird Pflege auch leistbar. Es braucht schlichtweg eine Regelung der Kompetenzen.

Was hat sich auf dem Ausbildungssektor in den letzten Jahren verändert?

SCHWITZER: Das Pflegewissen hat sich in den letzten Jahren so weiterentwickelt, dass es in einer dreijährigen Ausbildung gar nicht mehr unterzubringen ist. Alles geht ganz stark Richtung Akademisierung, das ist wichtig. Wir brauchen Qualifikation.

HOLGER PENZ: Die internationale Entwicklung Richtung Akademisierung ist schon weiter als in Österreich - hier sind wir noch am Nachholen und teilweise gerade beim Bachelor angelangt. Grundsätzlich gibt es viele Parallelentwicklungen, die sowohl die Akademisierung als auch die Kompetenzverschiebung begleiten - deshalb ist die Pflege ein Zukunftsfeld, weil da so eine Dynamik drinnen ist und sich viele neue Zugänge entwickeln.

KAPELLER: Im ländlichen Bereich gibt es immer weniger Ärzte. Früher oder später werden deshalb auch hoch qualifizierte Schwestern gewisse Tätigkeiten von ihnen übernehmen müssen.

Besteht die Gefahr, dass man sich deshalb höher qualifizieren lässt und etwa eine akademische Ausbildung macht, weil man später nicht mehr am Patienten arbeiten will?

PENZ: Man will ja keine Leute aus der Pflege rausqualifizieren, das war einmal ein österreichischer Weg, der aber langfristig keinen Erfolg bringt. Pflege auf Bachelorniveau heißt, für die Pflege am Patienten auszubilden, möglichst nah am Patienten, aber mit viel mehr pflegewissenschaftlichem Hintergrund. Ab Herbst werden bereits sechs Bundesländer das Pflegediplom und den Bachelor in Kombination anbieten.

HARRINGER: Wir lösen das in Form von Praktika. Eine Krankenschwester ist für die Ausbildung und Einbegleitung von vier Praktikanten zuständig. Das passiert schrittweise, sonst werden sie ins kalte Wasser geworfen.

Ist die Ausbildung von Pflegekräften aus anderen Ländern ausreichend?

SCHWITZER: Es gibt gewisse Auflagen, die sie erfüllen müssen, aber zumeist sind das Betreuungsdienste, die angeboten werden, keine Pflegedienste.