Was hat denn der Kärntner an Tourismusattraktionen, was der Steirer nicht hat und vice versa?

CHRISTIAN KRESSE: Wir profitieren von der Nähe zur Steiermark, weil sie viele Dinge weiterentwickelt hat, vor allem das Thema Kulinarium. Der steirische Wein spielt eine große Rolle. Wir werden hoffentlich bald an die Erfolge anknüpfen können.

GEORG BLIEM: Steirer und Kärntner vereint, dass sie die geborenen Gastgeber sind. Den guten Ruf in Österreich haben wir gemeinsam.

KRESSE: Beide zusammen sind mit Abstand die attraktivsten Märkte des Österreichurlaubers.

Wer hat den schwereren Job von Ihnen beiden?

BLIEM: Für uns beide sehe ich Inhaltliches, die Positionierung, Profilierung, Destinationsentwicklung als große Herausforderung. Wir müssen die Partner ins Boot holen - wir zwei sind ja auch nicht die Alleinunterhalter, wir müssen die Begeisterungsfähigkeit im Land weiter schüren.

KRESSE: Als normale Arbeitstätigkeit kann man den Job nicht sehen, man muss dazu berufen sein.

Würden Sie Jugendlichen in Ausbildung raten, ins Ausland zu gehen, um zu verstehen, was der internationale Gast braucht?

KRESSE: Jeder, der zu lange im eigenen Land sitzt, verkommt in Engstirnigkeit, die wir im Tourismus nicht mehr brauchen. Egal, ob man Häuptling oder Indianer im Tourismus werden möchte, ich motiviere jeden Jugendlichen, ins Ausland zu gehen. Die Basis dazu bekommt man bei uns - zum Beispiel auf der HBLA Pitzelstätten in Klagenfurt, der einzigen Schule in Österreich, die sich Genussschule nennen darf. Nach wie vor ein ganz großes Manko in Kärnten sind die Sprachenkenntnisse.

BLIEM: Man profitiert immer von Auslandsaufenthalten. Den Einheitsgast gibt es ja nicht mehr, der ungarische Gast tickt komplett anders als der holländische. Man braucht heute viel mehr Markt- und Gästewissen. Und ein Job im Tourismus hat Zukunftschancen, im steirischen Tourismus arbeiten zurzeit rund 43.000 Leute. In den letzten sechs Jahren sind 6000 Jobs dazugekommen.

Ist der deutsche Gast noch zuverlässig?

BLIEM: Nächtigungszuwächse sind fast ausschließlich vom deutschen Markt gekommen, weil für die Steiermark noch das Wort "entdecken" gilt. Ein Riesenvorteil ist die Anreise über Passau - das hat den Durchbruch gebracht. Deutschland sehe ich als Hauptmarkt mit dem größten Potenzial.

KRESSE: Kärnten hat in den letzten 20 Jahren rund fünf Millionen Nächtigungen am deutschen Markt verloren, weil wir nicht mehr mit den All-inclusive-Billigflugangeboten konkurrenzieren konnten. Im Gegensatz zur Steiermark, die an Betten gewonnen hat, haben wir eine Strukturbereinigung hinnehmen müssen. Heuer im Sommer sind wir die großen Gewinner innerhalb Österreichs am deutschen Markt.

Steiermark und Kärnten sind in Finanznöten, Europa geht Richtung Rezession. Konsumgüterriesen wie Unilever bereiten sich vor, stellen ihr Sortiment um und portionieren kleiner. Wird man in Zukunft auch im Tourismus kleiner, billiger, individueller werden müssen?

BLIEM: In den aktuellen Studien gibt es keine einzige negative Bewertung zum Preis-Leistungs-Verhältnis. Die Steiermark war der Nächtigungsgewinner, bei den Umsätzen sind wir im Mittelfeld. Da ist durchaus noch eine Bandbreite drinnen. Und: Individualisierung ist ja auch eine Chance, der Gast macht mittlerweile, was er will.

Es wird also nicht zu einer "McDonaldisierung" des Urlaubs kommen - Happy-Übernachtungsmenüs zum Billigpreis?

BLIEM: Forcieren werden wir das sicher nicht, uns geht es primär um Leistung und darum, dass das steirische Lebensgefühl spürbar ist, das hat nichts damit zu tun, sich als billiger Jakob zu verkaufen. Langfristig rechnet es sich sicher auch nicht, wenn man zum Beispiel am Personal spart, der Gast spürt das.

KRESSE: Sobald man sich auf den Preiskampf einlässt und die Spirale nach unten geht, braucht man fünf bis zehn Jahre, um das wieder zu stoppen. Das ist der Anfang vom Ende, der Todesstoß für den Tourismus. Der Gast ist durchaus bereit zu bezahlen, wenn die Qualität passt.

BLIEM: Eine Möglichkeit ist auch immer, einen Mehrwert in die Auslage zu stellen, der Gast liebt Überraschungen.

Wie tickt der Urlauber sonst noch?

KRESSE: Wir merken, dass die Urlaubsentscheidung oft Monate vor der kurzfristigen Buchung passiert. Die Aufenthaltsdauer wird kürzer. Wir hatten letzten Sommer fünf Prozent Plus bei den Ankünften und nur 2,5 Prozent Plus bei den Übernachtungen. Die Leute entscheiden kurzfristiger, nehmen immer kürzere Distanzen in Kauf, das sind die Herausforderungen der Zukunft.

Gibt es einen Plan B, wenn Europa sich nicht mehr fängt?

KRESSE: Das Krisenszenario haben wir seit 15 Jahren und trotzdem wächst der Tourismus jährlich.

BLIEM: Wir haben im steirischen Tourismus sieben Jahre lang zugelegt. Überheblich darf man nicht werden. Wir beobachten natürlich unentwegt - auch mit einem Marktscout - und stellen uns auf breite Beine.