Frau Hüsser, Ihr Beruf ist für viele ein Kindheitstraum. Galt das auch für Sie?

ANGELIKA HÜSSER: Auf jeden Fall. Ich habe zwar eine Ausbildung gemacht, die nichts damit zu tun hat - ich bin diplomierte Kindergärtnerin -, wollte aber insgeheim immer "in der Luft" arbeiten. Gleich nach meiner Ausbildung habe ich mich 2001 als Flugbegleiterin bei der damaligen Lauda Air beworben. Ich dachte, ich werde so ein Jahr, eineinhalb Jahre lang die Welt kennenlernen und mache dann weiter als Volksschullehrerin.

Daraus wurde aber nichts?

HÜSSER: Nein, ich war nach sechseinhalb Jahren immer noch dort (lacht). Und da ich ja öfter die Möglichkeit hatte, ins Cockpit zu kommen, und durch die vielen Gespräche mit Piloten steigerte sich mein Wunsch, selbst Flugzeuge zu fliegen, natürlich immer mehr. 2003 begann ich dann nebenbei die Pilotenausbildung.

Nebenbei - funktioniert das?

HÜSSER: Ich habe Gott sei Dank sehr viel Entgegenkommen durch den Arbeitgeber erfahren bezüglich der Diensteinteilung, und die Ausbildung ist ganz gut berufsbegleitend zu absolvieren. Sie hat rund drei Jahre gedauert.

Welche Stationen muss man dafür durchlaufen?

HÜSSER: Auf den Pilotenschein folgen der Berufspilotenschein, die Instrumentenflugberechtigung und die theoretische Linienflugausbildung. Für den Schein muss man eine gewisse Anzahl von Stunden geflogen sein.

Man hört immer wieder, dass man für den Pilotenberuf gewisse körperliche Voraussetzungen brauche, dass man zum Beispiel keine Zahnplomben haben dürfe. Ist das richtig?

HÜSSER: Das hängt ganz von den Fluglinien ab. Manche haben da immer noch sehr strenge Beurteilungen, was Sehvermögen, Hörvermögen, Zähne etc. angeht. Für Linienpiloten ist das heute großteils aber nicht mehr so streng geregelt. Bei mir war das kein Thema.

Hat man Ihnen je gesagt, das sei kein Beruf für eine Frau?

HÜSSER: Diese Erfahrung musste ich nie machen - weder innerhalb der Familie noch sonst. Im Gegenteil, vor allem meine Eltern haben mich immer in meinem Berufswunsch bestärkt. Dabei hatte ich mir anfangs gar nicht zugetraut, Linienpilotin zu werden.

Was hat Sie umgestimmt?

HÜSSER: Durch die Leute, egal ob Fluglehrer oder Schülerkollegen, wurde ich angetrieben und gewann Selbstvertrauen. Man muss kein Übermensch sein. Ich war vorher technisch nicht sonderlich versiert, habe aber mit Interesse und Einsatz alles erlernt.

Sie leben derzeit in Bregenz und fliegen für die österreichische Regionalfluggesellschaft Intersky.

HÜSSER: Ja, seit sieben Jahren. Ich fliege dort eine ATR 72-600, ein Turboprop-Regionalverkehrsflugzeug.

Welche Destinationen fliegen Sie an?

HÜSSER: Bei uns gibt es drei regionale Linienflugdestinationen, Berlin, Düsseldorf und Hamburg. Im Sommer kommen sehr viele Charterflüge und Destinationen im Süden wie zum Beispiel in Kroatien, Italien, Griechenland dazu.

Wie sieht Ihr durchschnittlicher Arbeitstag aus?

HÜSSER: Die Fahrt von Bregenz zu unserem Homebase-Flughafen in Friedrichshafen dauert etwa 25 Minuten. Der Frühdienst-Check- in beginnt um 5 Uhr - da ist man dann so um 10.30 wieder zurück. Zwei solche Flüge gibt es durchschnittlich pro Tag. Es können aber auch einmal vier sein, das hängt vom Dienstplan ab.

Lässt dieser Berufsalltag auch Familienplanung zu?

HÜSSER: Ich würde sogar behaupten, dieser Beruf ist absolut familientauglich - im Oktober erwarten mein Mann und ich unser erstes Kind. Er arbeitet auch bei Intersky im Cockpit und so können wir uns später gut arrangieren. Die flexiblen Arbeitszeiten sind da kein Nachteil.

Man erspart sich dann praktisch die Kinderbetreuung durch Dritte?

HÜSSER: Ganz ohne wird es wahrscheinlich nicht gehen, manchmal überschneiden sich die Dienstzeiten ja trotzdem.

Sie dürfen ja im Moment nicht fliegen. Möchten Sie später gleich wieder in den Beruf einsteigen?

HÜSSER: Nein, ich bin derzeit im Büro eingesetzt. Nach dem Mutterschutz möchte ich auf jeden Fall den Simulatorflug absolvieren, der nötig ist, um die Lizenz verlängern zu können. Später werden wir die Betreuungszeiten aufteilen. 100 Prozent möchte ich aber nicht gleich wieder arbeiten.

Eine Frage zum Schluss, die Sie bestimmt öfter hören: Wie reagieren denn Passagiere, wenn eine Frau im Cockpit sitzt?

HÜSSER: Ich kriege das am ehesten mit, wenn Passagiere später zusteigen und am Cockpit vorbeilaufen. Dann schaut schon einmal jemand ein zweites Mal hin. Manchmal gibt es auch "spaßige" Kommentare, die darf man nicht persönlich nehmen. Es ist auf jeden Fall noch niemand deshalb ausgestiegen (lacht).