Das Herz pocht, die Anspannung ist ins Gesicht geschrieben, dennoch überwiegt die Vorfreude auf ein Abenteuer in luftiger Höhe. „Zuerst wird es uns etwas nach hinten ziehen, du bleibst stehen und wenn ich es sage, beginnst du zu laufen“, lauten die Anweisungen von Paragleitpilot und Ausbildner Robert Novak. Das Warten auf sichere Windverhältnisse hat sich also gelohnt. Es wird ernst. Der Schirm bauscht sich auf. Schritt für Schritt geht es vom Startplatz am Gerlitzengipgel los, bis die Beine ins Leere treten. Der sichere Halt unter den Füßen ist verloren, das Vertrauen in das Material aber nach wenigen Sekunden gewonnen. Der Wind strömt um den Körper und es rauscht im Ohr. So muss sich ein Vogel fühlen, der mit den Kräften der Natur scheinbar mühelos spielt.
Das Panorama, das sich in luftiger Höhe Hunderte Meter über dem Ossiacher See bietet, ist einzigartig. Die Karawanken, die Julischen Alpen, Villach und die traumhaften Kärntner Seen breiten sich vor und unter einem aus, Häuser und Segelboote sehen aus wie Stecknadeln aus dieser ungewohnten Perspektive. „Der Wind ist perfekt, wir haben ideale Bedingungen“, sagt Novak und lenkt den Schirm gekonnt in Richtung Burg Landskron, ehe es im Gleitflug zum Landeplatz bei der Flugschule in Annenheim geht. Die sanfte Landung gelingt und fester Boden ist wieder unter den Füßen. Nach einem Flug, der ein Lächeln ins Gesicht zaubert und Lust auf weitere Flüge macht.
Gerade im Sommer bietet sich oft ein buntes Bild, wenn Dutzende Paragleiter, über dem Ossiacher See ihre Kreise ziehen. Das Flugrevier gilt als eines der besten der Welt. Es gibt die Option, mit der Gondel leicht den Berg zu erreichen, einen großen Startbereich und Landeplätze direkt am See. Einen davon betreibt Maggie Grabner, Leiterin der Kärntner Flugschule. Die Faszination des Paragleitens liege für sie in der Einfachheit des Fliegens. „Eigentlich kann es jeder machen, egal ob Jung oder Alt. Man muss auch nicht sonderlich sportlich sein“, sagt sie mit dem Funkgerät in der Hand. Dieses zählt zu den Hilfsmitteln der Fluglehrerin, mit dem sie ihre Schüler bei der Ausbildung unterstützt: „Man geht zuerst auf den Übungshang, macht erste Flüge, da ist man zwei bis zehn Meter in der Höhe, man lernt das Starten und das Steuern und wenn man das gut kann, dann macht man die ersten Höhenflüge.“ 40 davon benötigen die Schüler, um zur Prüfung anzutreten. Aber auch danach gibt es einiges zu beherzigen. „Als Anfänger, auch wenn man schon fertiger Pilot ist, muss man primär auf die Wettersituationen achten“, sagt Grabner. Sie empfiehlt auch weiter zur Flugschule kommen, um von Profis zu lernen, um selbst einer zu werden.
Echte Könner findet man nur wenig weiter bei Xandi Meschuh, der dort die Fliegerbasis seines Paragliding Acro Club Carinthia betreibt. Im Fokus stehen dort Acropiloten aus der ganzen Welt, die mit waghalsige Flugmanövern oft für offene Münder bei den Beobachtern sorgen. „Es geht darum, dass die Piloten das in einem sicheren Umfeld lernen, bis am Ende diverse Acromanöver stehen, die ein unbeschreibliches Gefühl auslösen“, sagt Meschuh, selbst vierfacher Kunstflug-Weltmeister, der auch für eine deutsche Firma Gleitschirme entwickelt. Zudem bieter er Sicherheitstrainings an. Unter anderem im G-Kraft-Simunlator, wo man Belastungen bis zum siebenfachen des Körpergewichts simulieren kann.
Der Dritte im Bunde ist Markus Dobernig (tandem-air.at), der sich am Seespitz auf Tandemflüge spezialisiert hat. Der jüngste Mitflieger war übrigens fünf Jahre alt (bei 20 Kilogramm Mindestgewicht), der älteste 95. „Wir haben aber auch schon Querschnittgelähmte geflogen“, so Dobernig, der auch viele Urlauber zu den Kunden zählt.
Paragleiter als Werbeträger für die Region
Der Tourismus freut sich ebenfalls über die Paragleiter, auch wenn die Zahlen bei weitem nicht an jene von Wander- und Radtourismus heranreichen würden. „Die Szene bringt dennoch viele Gäste und vor allem sind die Paragleiter ein Werbeträger, wenn sie mit ihren Schirmen den Blick zum Himmel zum Erlebnis machen", heißt es.
Zudem scheint man ein Problemfeld in den Griff bekommen zu haben. Noch vor einigen Jahren verzeichneten die Wasserrettungen Sattendorf und Villach weit mehr als 100 Einsätze pro Saison, um Paragleiter aus dem See zu bergen. „Gemeinsam wurden neue Spielregeln ausgearbeitet“, sagt Helmut Weissensteiner, Leiter der Wasserrettung Sattendorf. Auch weil die Bergung des Schirms mittlerweile 150 Euro kostet, konnte die Zahl der Einsätze deutlich nach unten gedrückt werden.
Andreas Jandl