Viele große, runde Schneeflocken, die durch den Kosmos zur Erde tanzen, umrahmt von der Sonne des blauen Tages auf der einen Seite und dem Mond der schwarzen Nacht auf der anderen. Auf einem Sternschnuppenteppich an der Grenze zwischen Tag und Nacht schwebt mit Sternen bestückt das fliegende Einhorn und bringt das Licht zur Krippe. Das Jesuskind ist schon geboren und hat die Landschaft ringsherum zum Blühen gebracht. Von rechts nähern sich die Hirten, von links die Heiligen Drei Könige, begleitet von Engeln und Lichtern.
Das ist das Weihnachtsbild von Agnes Stracke, das am 24. Dezember die Titelseite der Kleinen Zeitung schmückt. „Links ober der Krippe in Blau ist ein Einhornmädchen“, weist die Künstlerin des Ateliers de La Tour der Diakonie in Treffen am Ossiacher See auf ihr Lieblingsfabeltier hin, das nirgends fehlen darf. „Es hat Flügel, eine eigene Sprache und kann zaubern.“
Freudig zeigt und erklärt die Zeichnerin mit Trisomie 21 den Besuchern ihre Werke. „Die Sterne haben Gesichter und die Sternenkinder tanzen auf dem Berg“, beschreibt sie illustrativ eine Szene aus dem Bild „Der kleine Prinz“, in dem wiederum zahlreiche Himmelskörper vorkommen. Agnes liebt alles, was Licht bringt. „Sonne und Planeten sind ihr Thema“, weiß Atelier-Leiterin Christine Stotter.
Gestenreich unterstreicht Agnes, die in der Theatergruppe mitspielt, ihre Bildbeschreibungen mit Bewegungen und lässt die Planeten auf elliptischen Bahnen zirkulieren. Ihr Kosmos ist voller Naturschauspiele. Hunderte Blüten und Blätter zieren ihre Sonnenbilder, Universumbilder und Jahreszeitenbilder, die den Betrachter an Jugendstil denken lassen. Kirschblüten wechseln mit Herzäpfelchen und Kastanien-Leuchtbäumen in Gold.
Akribisch setzt Agnes Strich für Strich mit Kugelschreiber oder lichtechten Tuschestiften, die sie mit allen Zeichenutensilien in ihrer großen, schweren Tasche ständig mit sich trägt. Wasserfarbe und Pastellölkreide hat sie nur probiert. „Von Pinsel und Farbe wird man schmutzig. Das mag ich nicht. Ich möchte es schön haben.“
Diakonie-Künstlerin gestaltete unser heutiges Titelbild
Agnes zeichnet jeden Tag. „Sie ist sehr schnell, man muss sie manchmal stoppen“, erklärt Christine Stotter, die Agnes’ Werke als „erzählende Bilder“ bezeichnet. „Sie komponiert mit Wiederholungen.“ In ihren Gärten spielen sich Geschichten mit Tieren, Kindern und schmausenden Menschen ab. „Sie hat viel Ausdauer und Liebe zum Detail. Überfordert ist nur der Betrachter, sie nicht.“
Die Figuren entstehen bei Agnes als Erstes, dann kommt der Hintergrund. Gelernt hat sie die Kunst nicht. „Ich setze mich hin und male los, bis das Bild voll ist“, erklärt sie. „Sie vertieft sich völlig in ihre Bilder, sie lebt in ihnen“, ist Pädagogin Christine Moser beeindruckt. „Ich male gerne viel, weil es schön ausschaut“, erfährt die Besucherin, gefolgt von der Aufforderung: „Nun schreib was Schönes über mich!“
Elke Fertschey