Vasile Haraga, gebürtiger Rumäne, gelernter Tischler und in seinem Herkunftsland einst Profifußballer, arbeitet im Wirtschaftshof Althofen. Dort befüllt er mit seinen Arbeitskollegen gerade einen Klein-LKW mit Spendengütern, die nach Klagenfurt gehen. Die Spendentransporte sind zurzeit wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Mitarbeiter, sagt der Leiter des Wirtschaftshofes, Helmut Wallner. Heute schließt Haraga der Arbeit einen Besuch bei der siebenköpfigen Familie von Mihailo und Ina Kokosh an. Die beiden flohen mit ihren Kindern aus der Ukraine, aus der Region Odessa, einem Gebiet, in dem ukrainisch und rumänisch gesprochen wird. Haraga übersetzt für die Familie, damit sie sich mitteilen kann. Er versucht auch, das Nötigste für das Alltagsleben zusammenzubekommen. Hausrat, Kleidung, Spielzeug. Dazu kam er, weil ihn die Stadtgemeinde um seine Hilfe bat. Von der Gemeinde kam ein wenig Geld für die Geflüchteten. Und: "Wir waren bei der Tafel des Roten Kreuzes, um dort Lebensmittel zu holen", sagt Haraga.

Vasile Haraga mit seinem Chef Helmut Wallner und den Arbeitskollegen Wilfried Fritz und Ingo Schöffmann (von links)
Vasile Haraga mit seinem Chef Helmut Wallner und den Arbeitskollegen Wilfried Fritz und Ingo Schöffmann (von links) © GEBENETER

Es fehlt an Geschirr, an Hausratsgegenständen allgemein. "Ina sagt, sie würde tiefe Teller brauchen, Suppenteller", übersetzt Haraga. Ansonsten ist die 38-jährige Mutter sehr still, schält ihrer Tochter gerade einen Apfel. "Den Buben geht es nicht so gut, sie haben am meisten mitbekommen", weiß Haraga. Das jüngste der Kinder sei sehr zart. "Sie ist vier, aber sie sieht aus wie eine Zweijährige", sorgt sich Haraga. Er möchte Fahrräder auftreiben, Sachen für draußen."Damit die Kinder spielen können, sich bewegen. Das tut ihnen gut."

Mihailo und Ina Kokosh flohen mit den Kindern aus der Ukraine
Mihailo und Ina Kokosh flohen mit den Kindern aus der Ukraine © GEBENETER

Nach dem Besuch bei Familie Kokosh fährt Haraga zu seinem Haus - schmuck und gepflegt mit einem schönen Garten, der mit viel Arbeit geschaffen wurde. Er hat Familie, zwei Söhne, Michael Angelo (23) und Andreas (30). Auch seine Schwiegermutter wohnt im Haus, sie übersiedelte von Rumänien nach Kärnten, die Familie kann sie hier unterstützen.

Haraga weiß, was es bedeutet, nichts zu haben. 1991 kam er mit seiner Frau als Flüchtling nach Österreich. Die Hoffnung hatte sich damals zerschlagen, dass die Zeiten besser und freier würden nach der Revolution in Rumänien sowie dem Sturz und der Hinrichtung von Staatschef Nicolae Ceaușescu. "Aber es kamen seine Freunde an die Macht", sagt Vasile Haraga. "Wir haben in Rumänien gearbeitet, wollten etwas erreichen, hatten Ziele und Wünsche, aber wir hatten keine Perspektive", erzählt Aurora Haraga, ausgebildete Elektrotechnikerin mit Matura, heute arbeitet sie als Sozialbetreuerin.

Das Paar kam im Februar 1991 per Zug, am Ende mit einem langen Marsch Richtung Österreich bis zur Grenze in Spielfeld. Die ersten Eindrücke prägten sich bei Aurora Haraga ein: "Wir waren auf einem Bahnhof. Ich war so fasziniert von dieser Hygiene, dieser Sauberkeit. Am Bahnsteig hat es nach Parfum gerochen." Neben den Erinnerungen an den Aufenthalt im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen etwa blieb bis heute, dass nichts da war, man hatte alles zurückgelassen. "Meine Söhne lachen immer über einen Satz, den es bei uns in der Familie gibt", erzählt Vasile Haraga: "Der Satz lautet: Wir hatten nicht einmal einen Löffel." Was heute für Schmunzeln sorgt, war damals bitterer Ernst. Aber es gab Helfer. Angekommen in Kärnten, habe sich ihr Mann schnell integriert, sagt Aurora Haraga. Die beiden wohnten in Weitensfeld. "Er hat sich dem Fußballverein angeschlossen." Daraus ergab sich Unterstützung auf dem Weg ins neue Leben, für die man heute noch dankbar ist. "Marietta und Elmar Sabitzer haben uns sehr geholfen." Marietta Sabitzer sei mit ihr von Haus zu Haus gegangen, um eine Wohnung zu finden. Gebrauchte Schlafzimmermöbel reichten zum größten Glück: "Wir waren so glücklich, dass wir diese Möbel hatten."

Die Kinder der Familie Kokosh wurden durch den Krieg aus ihrem gewohnten Leben gerissen
Die Kinder der Familie Kokosh wurden durch den Krieg aus ihrem gewohnten Leben gerissen © AUER

Dass Vasile Haraga jetzt hilft, begründet er so: "Ich habe ein Helfersyndrom". Für seine Frau ist klar: "Uns geht es gut, wieso sollen wir anderen nicht helfen?" Aurora Haraga ist überzeugt, Integration gelingt, wenn beide Seiten es wollen. Bei den Haragas ging das soweit, dass mit den beiden Söhnen zu Hause Deutsch gesprochen wurde. "Ich habe mit drei, vier Jahren erst rumänisch gelernt", sagt Michael Angelo, der Jüngere. Beim EM-Match Rumänien gegen Österreich hielt er zu Rumänien, "der Papa zu Österreich." Fußball ist noch immer wichtig, Vasile Haraga spielt nicht mehr, aber wie seine beiden Söhne verbringt auch der Vater als Schiedsrichter seine Zeit am Fußballplatz. Die Söhne sind der Stolz der Eltern, sie haben beide maturiert, haben ihre Berufe. Die Herkunft der Eltern sieht Michael Angelo als Gewinn: "Ich habe drei lebende Fremdsprachen durch die Schule, bin zweisprachig aufgewachsen, ich hab mir mit Sprachen immer leicht getan."

Ein paar Steinwürfe entfernt, in einer Wohnung, in der noch so viel fehlt für das Leben einer Familie, weiß Mihailo Kokosh auch, was er für seine Kinder will: Sie sollen in Österreich aufwachsen. Ina Kokosh wünscht sich, dass ihre Kinder möglichst bald wieder Schuleund Kindergartenbesuchen können.