Es ist eigentlich recht idyllisch in den Wäldern von Maria Saal. Die Sonnenstrahlen blitzen durch die Blätter eines Baumes auf unseren Lagerplatz. Ein buschiges Eichhörnchen klettert den Stamm hoch. Wenn man ohne Handy und Co. in der Natur unterwegs ist, genießt man diese kleinen Ereignisse. Doch Zeit zum Entspannen bleibt vorerst nicht. „Trinken, Essen, Wärme und Schlaf. Darum müssen wir uns als Erstes kümmern“, reißt mich Florian Leitner aus meinen Gedanken: „Das sind die überlebenswichtigen Dinge.“

Gemeinsam mit Julia Leitner lehrt er seit 2018 das Leben und Überleben in der Natur. Am Blåsehof in Maria Saal bieten die beiden „Survival Camps“, Kräuterkurse und Wildnisexpeditionen an. „Wir wollen keine Dogmen verbreiten“, stellt Julia Leitner klar: „Sondern zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen bewegen. Das Verständnis für unseren natürlichen Lebensraum ist für unserer Zukunft wichtig. Das widerspricht sich nicht mit der modernen Gesellschaft.“

Julia Leitner und Florian haben „Erlebnisraum Natur“ in Maria Saal gegründet
Julia Leitner und Florian haben „Erlebnisraum Natur“ in Maria Saal gegründet © Gert Köstinger

Die Sehnsucht nach archaischen Lebensweisen sei tief in den Menschen verankert. Es steigert das Wohlbefinden. „Wir bieten das beispielsweise auch als Burn-out Prävention für Firmen an, oder zur Entwicklung der Teamfähigkeit.“

Feuer ohne Feuerzeug

Aus Zeitgründen lerne ich vorerst nur den Grundstock für das Überleben in der Natur. Ohne Feuerzeug, Messer oder Streichholz, soll ich ein Feuer machen. Florian Leitner zeigt vor, wie es geht. Er schlägt einen Feuerstein und einen eisenhaltigen Gegenstand aneinander, die Funken entzünden dann unseren Brennstoff - einen Zundpilz, Birkenrinde, Späne oder Ähnliches. Weil der Feuerstein in Österreich aber äußerst selten ist, lerne ich eine andere Technik.

Mit einem dicken Ast und einer Schnur - die könnte man beispielsweise aus einer Fichtenwurzel drehen - hat der Survival Trainer eine Spindel gebastelt. Ich klemme ein kleines Holzstück in die Schnur und setze es über dem Brennstoff auf ein Feuerbrett, also ein Holz mit Löchern an der Seite, auf. Dann ist Muskelkraft gefragt. Mit kräftigen Bewegungen ziehe ich hin und her, bis das Holz so heiß wird, dass eine Glut entsteht. Für Ungeübte ist das sehr anstrengend, wenn es denn überhaupt gelingt. Leitner hilft mir ein wenig, und zieht mit. Vorsichtig legen wir die Glut auf ein kleines, strohartiges Gebüsch und blasen immer wieder leichten Wind dagegen. Eine Flamme entfacht, wir haben es geschafft.

Chips aus Brennnessel

Stolz lege ich das flammende Gebüsch auf die trockenen, kleinen Äste. Unser Feuer brennt schon mal. „Jetzt machen wir uns etwas zu essen“, schlägt Julia Leitner vor. Es gibt kaum ein Blatt im Wald, das die Kräuterexpertin nicht kennt. „Der Spitzwegerich eignet sich gegen Insektenstiche. Und der Breitwegerich wurde lange Zeit zum Behandeln von Wunden verwendet“, erzählt sie, während sie ein paar Brennnesseln im Wald sammelt.

Für die Brennnesselchips werden die Brennnessel einfach kurz frittiert

Daraus kann man so einiges machen. Wenn wir den Stängel der Brennnessel beispielsweise teilen und die einzelnen Fasern zusammendrehen, entsteht eine extrem starke Schnur. Die Blätter kommen mit ein wenig Öl in den Topf. „Wir machen Brennsesselchips“, verrät Julia Leitner. Über unserem Feuer dauert es nur wenige Minuten, bis wir die einzelnen Blätter wieder aus dem Topf nehmen können. Und fertig sind die Brennnesselchips, sie schmecken übrigens hervorragend.

Als Nachspeise reisen wir Nelkenwurz aus dem Boden und essen die Wurzeln. „Daraus kann man mit ein wenig Weißwein auch einen Verdauungstrunk herstellen“, weiß Leitner. Rund 400 verschiedene Pflanzenarten und deren Funktion kannten die Steinzeitmenschen bereits im Alter von 11 Jahren. Im „Survival Camp“ in Maria Saal erhalten die Teilnehmenden ein Abzeichen, wenn sie am Ende schon 10 essbare Pflanzen benennen können.

Survival Camps sind gefragt

Das Naturverständnis zu stärken, ist das Ziel des Trainings. Dafür kommen im Sommer vor allem Menschen aus Wien, Deutschland und sogar der Schweiz nach Maria Saal. Die Wochenendkurse — der nächste findet übrigens von 14. bis 16. Juni statt — sind vor allem für die einheimische Bevölkerung interessant.

Überlebenskurse sind seit der Coronapandemie sehr gefragt, Survival-Fernsehformate boomen. Auch das Paar aus Maria Saal trat bereits im Fernsehen auf. Servus TV drehte eine 20-minütige Sendung im „Erlebensraum Natur“. Seit kurzem dreht Florian Leitner auch Videos für YouTube: „Mein Video über die Herstellung eines Feuerbohrers im Winter hat rund 30.000 Aufrufe“, freut er sich über die vielen Zugriffe.

Auch das Bauen von Unterschlüpfen oder das Töpfern wird im Kurs erlernt. Ich benötige aber keinen Unterschlupf, denn mein Ausflug in die Wildnis endet schon vor Einbruch der Nacht. Das „Survival Training“ im Schnellprogramm war aber sehr lehrreich. Den Juckreiz meines Gelsenstichs konnte ich gleich direkt mit einem zerriebenen Blatt vom Spitzwegerich behandeln.