Nach einer flotten 15-stündigen Busfahrt sind wir, die Schülerinnen und Schüler der 10. Schulstufe der ISC in Velden, mitsamt unseren drei Lehrerinnen und Lehrern, am 18. März endlich in der EU-Hauptstadt Brüssel angekommen. Wir waren erschöpft, aber freuten uns trotzdem darauf, diese Stadt erkunden zu können. Überall war etwas. Fußgänger, Fahrräder, Autos, Busse, Straßenbahnen. Die Geräuschkulisse war laut und ungewohnt. Dazu kamen noch die permanenten Sirenen. Verglaste Häuser ragten in den Himmel und dominierten gegenüber der historischen Altbauten. Doch zwischen den schmalen Gassen, wo sich ein Haus an das andere reihte, blitze ein grüner Farbtupfer durch. Und siehe da, ein riesiger Park, übersät mit frischem Gras, blühenden Blumen und Bäumen. Der Kontrast zwischen den Gebäuden und der Natur war unglaublich. Es schien, als würde die Stadt selbst leben.

Doch wir gingen nicht planlos nach Brüssel. Nein. Wir wollten überprüfen, wie nachhaltig Brüssel und die EU tatsächlich sind. Um das zu verifizieren, gingen wir mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt. Bei verschiedenen Institutionen der EU, unter anderem auch bei der europäischen Umweltbehörde, führten wir Interviews zum Schwerpunkt Nachhaltigkeit und sammelten so unterschiedliche Perspektiven und Informationen.

Die Schülerinnen und Schüler der ISC Velden verbrachten eine Woche in Brüssel
Die Schülerinnen und Schüler der ISC Velden verbrachten eine Woche in Brüssel © KK/ISC

Brüssel fährt durch - oder nicht?

Unser erster Eindruck, dass Brüssel jeglichen Merkmalen einer nachhaltigen Großstadt gerecht wird, bestätigte sich schnell. Brüssels Infrastruktur ist nämlich sehr divers, da auf der einen Seite es nur so von Radfahrern und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln wimmelt, auf der anderen Seite jedoch die Straßen regelrecht von Autos überfüllt sind. Nachhaltige Mobilität fiel besonders in Zentrumsnähe auf, da es in Brüssel eine Vielzahl von Optionen gibt, die den öffentlichen Verkehr, Radfahren und zu Fuß gehen fördern.

Die Verfügbarkeit von Radwegen und E-Scooter-Stellplätzen sowie das fußgängerfreundliche Umfeld regen dazu an, auf umweltfreundliche Fortbewegungsmittel umzusteigen. Diese Maßnahmen tragen zweifellos dazu bei, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Während unseres Aufenthalts haben auch wir Schüler die E-Scooter genutzt, um schneller in andere Stadtteile zu gelangen. Die E-Scooter hatten alle eigene „Hotspots“ beziehungsweise eigene Abstellplätze in der ganzen Stadt, was die Nutzung erleichterte. Besonders attraktiv war für uns, dass der Fahrpreis pro Kilometer berechnet wurde anstatt pro Minute wie in Österreich, was die Nutzung der Scooter kostengünstiger machte. Trotz einer Begegnung zwischen einer Mitschülerin und einem Radfahrer, die zu einem Unfall führte, funktionierte das Verkehrssystem für Fahrradfahrer und E-Scooter-Fahrer gut, insbesondere durch spezielle Radampeln an stark befahrenen Straßen. An Radwegen mangelt es in Brüssel auch nicht und es gibt kaum größere Straßen im Zentrum, an denen keine zu finden sind. Brüssels Regierung plant, dies auch noch auszubauen und beabsichtigt, in den nächsten Jahren neunzehn weitere Radwege in der Stadt zu errichten. Darüber hinaus bietet Brüssels Regierung kostenlose Radkurse an, welche den Teilnehmern beibringen sollen, wie sie sich als Radfahrer in der Stadt verhalten. 

Es wimmelt in der Stadt nur so vor Scooter
Es wimmelt in der Stadt nur so vor Scooter © KK/ISC

Weniger positiv ist die übermäßige Präsenz von Autos auf den Straßen. Vor allem während das EU-Parlament tagt, werden für die Politiker zudem ganze Straßenabschnitte abgesperrt, damit sie mit einer Vielzahl von Autos durchfahren können. Dies beeinträchtigt den Verkehr für die übrigen Bürger und trägt nicht zur Verringerung der Umweltbelastung durch Autoverkehr bei. Offen bleibt die Frage, wie sich hochrangige Politiker, wenn nicht mit Autos, in Brüssel bewegen können? Auch dadurch ist der Straßenverkehr in Brüssel stark von Staus und Stop-and-Go-Systemen geprägt. Die hohe Anzahl von Ampeln und die teilweise aggressiven Fahrweisen vieler Autofahrer stellen nicht nur für die Umwelt, sondern auch für Radfahrer und Fußgänger eine Gefahr dar.

Bemerkenswert nachhaltig waren für uns auch der öffentliche Nahverkehr. Das gut ausgebaute Bus-, U-Bahn- und Straßenbahn Netzwerk bietet eine ansprechende Alternative zum Individualverkehr. Während unserer Klassenfahrt mussten wir zum Beispiel alleine mit der U-Bahn durch die Stadt navigieren, da ein Teil unserer Gruppe aufgrund der oben genannten Sperrungen den vorhergesehenen Treffpunkt nicht rechtzeitig erreichen konnte. Das U-Bahn-Personal war hilfsbereit und das System gut ausgeschildert, was uns trotz der Herausforderungen eine zuverlässige Fortbewegung ermöglichte.

Brüssel trennt durch

Außerdem stach uns sofort das Müllproblem der Metropole in die Augen. Brüssel steht damit vor einer drängenden Herausforderung: dem Müll. Sichtbar sind die Spuren des menschlichen Konsums. Die Mülleimer quellen so sehr über, dass die weggeworfenen Plastikflaschen, Verpackungen und sonstigen Abfall schon zu Boden fallen. Der Gestank erreichte unsere Nase und die Stadt, die für ihre historische Schönheit und Vielfalt bekannt ist, wird von einem grauen Schleier umhüllt. Der kulturelle Reichtum wird von dem dominierenden Bild des Mülls geschmälert. Vor allem der verstreute Abfall, der in den Gassen auffindbar ist und vor den Türen der Altbauten liegt, ist kaum zu übersehen.

Der Müll ist ein Schandfleck der schönen Stadt
Der Müll ist ein Schandfleck der schönen Stadt © KK/ISC

Aber was sind die Ursachen dafür? Uns fällt auf, dass es unzählige Mülltrennungstationen für Glasflaschen gibt, jedoch nichts für den restlichen Müll. Das Müllsystem ist ineffizient, und die Einwohner verstreuen ihren Müll auf den Straßen. Einer der Hauptgründe für dieses Problem ist meist der eingeschränkte Platz, der für Mülltonnen in den Straßen zur Verfügung steht. Nur in wenigen Viertel sind große Mülleimer auffindbar, um den Abfall zu entsorgen. Hervorzuheben ist jedoch, dass die Mülltrennung in den U-Bahnen besonders gut funktioniert. Hier finden wir Mülltrennungssysteme, in denen es Restmüll, Papier und Plastik Trennungen gibt. Die Mülleimer werden klar beschriftet und gekennzeichnet. Auffallend war jedoch auch, dass blaue Säcke für Plastik sind, gelbe für Papier und weiße für Restmüll. Diese Regel hilft den Einwohnern der belgischen Stadt, ihren Müll zu trennen, bevor sie ihn vor ihre Haustüren werfen, um sie abholen zu lassen.

Müllstationen für Glas sind sehr präsent
Müllstationen für Glas sind sehr präsent © KK/ISC

Brüssel blüht durch

Ferner dominieren auf den ersten Blick Beton und Zement, doch zu unserer Überraschung sind Nachhaltigkeit und Naturverbundenheit nicht nur leere Worte, sondern blühende Realität. Überall, wo das Auge hinreicht, blühen kleine Rasen der Ruhe. Üppige Grünflächen, großzügige Parks und langgezogene Alleen, verziert von dichten Baumreihen, die eine beeindruckende Vielfalt an Krabbeltieren und Bienen beheimaten. Dieses unerwartete Blumenmeer mitten in der Großstadt, weit entfernt von der allzu bekannten urbanen Trostlosigkeit, war überwältigend und raubte uns den Atem.

Es schien, als hätte jedes noch so kleine Familienhaus einen individuellen Platz für einen begrünten Vorgarten gefunden, um einen Beitrag zu dieser überwiegenden, grünen Vielfältigkeit zu leisten. Diese persönlichen Eindrücke verstärkten die Erkenntnis, dass Brüssel ein Vorzeigemodell dafür ist, wie Grünanlagen nicht nur die Lebensqualität in einer Stadt verbessern, sondern auch eine entscheidende Rolle für die Biodiversität und das ökologische Gleichgewicht spielen. Diese vor Leben pulsierende Stadt beweist eindrucksvoll, dass auch in einer Großstadt Raum für Natur und Nachhaltigkeit existiert. In weiterer Hinsicht kreiert diese lebendige Natur einen Kontrast und eine Distanz zum grauen Stadtbild. Brüssel setzt uns auch hiermit ein klares Zeichen der Zukunft und liefert uns eine Antwort auf die Frage: Was macht eine Stadt tatsächlich lebenswert?

Die Stadt ist stark verbaut, dazwischen blüht es aber immer wieder
Die Stadt ist stark verbaut, dazwischen blüht es aber immer wieder © KK/ISC

Fazit

In einer Woche sieht man nicht viel, aber trotzdem konnten wir viele Eindrücke von der Stadt sammeln. Vieles war positiv, aber über manche Aspekte musste man erneut nachdenken, ob es wirklich nachhaltig war. Insgesamt hatten wir den Eindruck, dass Brüssel auf einem guten Weg im Bereich der Nachhaltigkeit ist.