Ein Hubschrauber steuert den Hohen Burgstall im Glocknergebirge an. Am Tau hängen dutzend Bierfässer. Das Bier wird in dieser Sommersaison auf der Oberwalder Hütte auf 2973 Metern Seehöhe ausgeschenkt. Und bei einem Hubschrauberflug bleibt es nicht um die Versorgung der dreimonatigen Saison sicherzustellen. "Im Zuge der ersten Eindeckung sind wir 32 Mal heraufgeflogen. Im Laufe der Saison brauchen wir den Heli noch für etwa 16 Flüge", sagt Bernd Fürhapter aus dem Osttiroler Villgratental. Seit 2019 ist er der Wirt der Oberwalder Hütte in Heiligenblut. Und er hat sich einen Namen gemacht. Bergsteiger schwärmen von der Bewirtung in der ausgesetzten Lage.
"Eigentlich erwartet man hier oben keine Gastronomie mehr. Erst recht dann nicht, wenn man den Klettersteig hinter sich hat und sich fragt, wie hier oben ein Gasthaus betrieben werden soll", meint Janik Seirig aus Deutschland. Materiallift gibt es keinen, von der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe hinauf auf den Hohen Burgstall. Und deshalb beginnt für die Wirtsleute die Saison nicht erst mit der Eröffnung am 1. Juni, sondern schon Wochen und Monate zuvor. "Der Hubschrauber ist einer unserer größten Kostenfaktoren", erklärt Fürhaupter. Und deshalb sei eine gute Planung im Winter und im Frühjahr essenziell.
Die Oberwalder Hütte des Alpenvereins Austria ist der optimale Stützpunkt für Ausbildungen im hochalpinen Gelände in den Ostalpen. "Eis, Schnee und Fels sind bei uns hier in unmittelbarer Nähe", sagt der Hüttenwirt. Es kommen Soldaten des Bundesheeres, Polizisten, Bergführer oder Bergretter. Die Hütte ist deshalb auch Jahr für Jahr gut ausgebucht. Die Zahl der Tagesgäste hat in den vergangenen Jahren abgenommen. Der Grund: Der Weg vom Parkplatz der Großglockner Hochalpenstraße hinauf ist kein Spaziergang. Nach dem Marsch über den Gamsgrubenweg ist noch ein Gletscherfeld zu überqueren und ein Klettersteig zu meistern. Für geübte Wanderer in knapp zwei Stunden machbar, für Flip-Flop-Bergsteiger eine Nummer zu groß.
Die Oberwalder Hütte ist bekannt für den herzlichen Service. Fürhapter kann hier auf Frauenpower seiner Familie setzen. Janelyn, seine Frau die aus den Philippinen stammt, lernte er auf den Weltmeeren kennen. Beide waren auf dem Kreuzfahrtschiff tätig. Janelyn ist gelernte Krankenschwester und nun Hüttenwirtin. Die Töchter Anna Maria und Djanel helfen den größten Teil der Saison auch mit. Der österreichisch-asiatische Charme kommt an bei den Alpinisten.
Doch wie meistert ein Koch den Umstieg – vom Kreuzfahrtschiff und den besten Häusern im Tal auf den Berg? "Man braucht die Technik und auch das Glück, dass das alles funktioniert. Durch die Kälte und Nässe ist die Umgebung einfach extrem", erklärt Fürhapter. Apropos Technik: Als Wirt auf der Oberwalder Hütte muss man zwar kein Ingenieur sein, aber technikversiert. Fürhapter führt uns in die unterirdische Kaverne, welche etwa hundert Meter hinter der Hütte liegt. Nach dem Abstieg über einen Betonschacht kommt ein riesiger Wassertank zum Vorschein. 30.000 Liter Trinkwasser sind es – deshalb erfahren die Bergsteiger auf der Oberwalder Hütte auch den Luxus einer Warmwasser-Dusche. Doch heuer könnte das Wasser gegen Ende der Saison knapp werden. Der Winter war nicht besonders schneereich – fraglich ist, wie lange das Schneefeld die Kaverne versorgen kann. "Im Notfall müssen im August die Duschmöglichkeit einschränken", meint der Hüttenwirt. Bei Störungen rückt er übrigens selbst zur Fehlerbehebung der Wasserversorgungsanlage aus.
Von der Kaverne eilt er zurück auf die Hüttenterrasse. Ein Bergsteiger ist vom Gletscher zurückgekommen und will den Ausblick auf den Großglockner zu einem Stück frisch gebackenen Apfelstrudel genießen. Der Wirt serviert die Süßspeise, die er auf fast 3000 Metern selber frisch zubereitet, mit reichlich Schlag. Der Blick auf den Großglockner bleibt dem Bergsteiger aber verwehrt, der Nebel hat inzwischen den höchsten Berg Österreichs verhüllt. Für Unterhaltung sorgt stattdessen Hüttenhund Haku.
Michael Egger