Ihr Tanzsolo „imprinting“ wird am 14. August in einer neuen Fassung wieder aufgenommen. Was erwartet das Publikum?
LEONIE HUMITSCH: Nun, auf jeden Fall erwartet das Publikum ein neues Ambiente. Vor zwei Jahren tanzte ich im Grünspan in Feffernitz, heuer bespielen wir die Alte Volpini-Fabrikshalle in Spittal an der Drau. Abgesehen davon wird „imprinting“ erstmals gemeinsam mit den Fotos von Sam Strauss realisiert, dessen Bilder den menschlichen Körper in der Natur neu befragen. Das aufgelassene Industriegelände und die großformatigen Fotos symbolisieren die Weiterentwicklung des Stücks. Statt unsere persönlichen Geschichten bringen wir diesmal die Stimmen von Außenstehenden ins Spiel.
Wie passiert das konkret?
HUMITSCH: Nun, wir jungen Menschen aus länglichen Regionen gehören ja zur Generation der Zerrissenen. Gerne haben wir die Orte unserer Kindheit verlassen, um zu studieren, Erfahrungen zu sammeln und uns als abgenabelt zu spüren. Lieber würden viele von uns am Beginn ihrer beruflichen Karriere zurückkehren, gäbe es ausreichend Jobs. Hier setzen wir an: Wir fragten in unserem Umfeld nach, wie andere mit dieser Sehnsucht nach „Heimat“ umgehen. Die Ergebnisse dieser Umfrage übersetze ich in körperliche Aktionen, etwa in ein innerliches Hin- und Herpendeln oder das Gefühl, gleichzeitig unabhängig und verwurzelt zu sein.
Körperliche Aktionen, die musikalisch begleitet werden?
HUMITSCH: Weniger begleitet als gleichwertig gesetzt. Paul Neidhart und Markus Rainer komponieren einen Soundteppich aus Saxofon, Trompete, Synthesizer, der die Frage nach Prägung klanglich zu fassen versucht. Bei ihnen verselbstständigen sich die Töne, als würden sie aus überkommenen Mustern ausbrechen wollen. Mit dabei ist übrigens die Bodypainterin Désirée Berghold-Wieser. Wie könnte man das Einschreiben besser visualisieren als mit bloßer Farbe auf nackter Haut? Prägungen, die bleiben, und selbst durch Schichten aus Stoff durchschimmern. Mehr verrate ich aber nicht.
Der Verlust von Heimat ist ja gerade 2015 ein weltweites Problem.
HUMITSCH: Genau. Wir sind uns bewusst, dass unsere Reflexion im Kontext des aktuellen Weltgeschehens fast banal wirkt. Obwohl natürlich Fragen der Abwanderung und Ausdünnung ländlicher Gebiete immer relevant sind. Dennoch: Um unsere Wertschätzung gegenüber Menschen auszudrücken, die derzeit keine Wahl haben, kommt der Erlös aus dem Verkauf der Bilder dem Flüchtlingslager in Krumpendorf zugute.

INGRID TÜRK-CHLAPEK