In einem Motorboot, begleitet von Libellen, Ringelnattern, Kaulquappen, Rotfedern, Muscheln und Fieberklee, bricht Fischökologe Martin Müller jeden Donnerstag zu einer ganz besonderen Mission auf. Mit einer Wathose ausgestattet und hüfttief im türkisblauen Wasser stehend, überprüft er die Edel- und Kamberkrebspopulation des Weißensees. Das Projekt startete im Juni 2018. „Martin Weinländer schrieb eine Diplomarbeit über Krebse und war für einen Campingurlaub in der Region. Er kam zu mir, als er in einer Reuse einen Edel- und einen Kamberkrebs gefunden hatte. Nach dem die Finanzierung aufgestellt war, gab es eine erste Bestandserhebung. Anfangs haben wir 30 Reusen im ganzen See ausgelegt, damit 39 Edelkrebse gefangen und sie auf die Krebspest untersucht. Es folgte ein Treffen mit zehn Krebs-Experten am Millstätter See. Wir beratschlagten, was wir für die Tiere tun können“, schildert Müller.

Sechs Jahre später hat das Vorhaben eine größere Dimension angenommen: Auf einer Strecke von rund eineinhalb Kilometern warten 134 Beton- und Tonziegel als künstliche Verstecke, 31 Reusen und 19 Polokalrohre mit Ködern wie Leberkäse, Bratwurst-Stücke, Karpfen-Reste und Katzenfutter auf die Tiere. Ein Mal pro Woche, immer donnerstags, bricht Müller in einem Motorboot Richtung Nordufer auf, um festzustellen, ob diese Hilfsmittel Krebse anlocken konnten.

Das Ziel: Der Bestand an Edelkrebsen soll erhöht, jener an Kamberkrebsen gesenkt werden. Pro Jahr werden dem See über 2000 Kamberkrebse entnommen, bei jeder Tour findet Müller zwischen 50 und 100 Exemplare. Zum Vergleich: Schätzungen zufolge „wohnen“ aktuell zwischen 100 und 200 Edelkrebse unter der glitzernden Wasseroberfläche. Unter ihnen Agatha, Roland und Fred. Edelkrebs Sebastian hält sich meistens in der Nähe von Reuse 115 auf. „Edelkrebse werden ab einer Größe von sieben Zentimetern markiert. Zum Chippen wird ihnen ein Transponder mit einer zwölfstelligen Nummer in die Muskulatur geschossen. Ein Lesegerät kann sie dann erkennen.“, erklärt Müller.

Auf Edelkrebse wird mit Sekt angestoßen

Sind die Tiere aufgespürt, werden Daten für ein Langzeit-Monitoring erhoben. Die Ergebnisse werden am Jahresende ausgewertet. Daraufhin wird ein Bericht erstellt. Auf einer Liste werden Informationen wie die Anzahl der Tiere pro Station, das Geschlecht, die Carpax-Länge und die Anzahl an Eiern festgehalten. Im Schnitt werden Edelkrebse - ohne die Scheren miteinzurechnen - bis zu 17 Zentimeter groß, rund 200 Gramm schwer und zwischen 15 und 20 Jahre alt. Nach der Datenerhebung werden sie zurück ins Wasser geworfen. Kamberkrebse werden in einem Container mit Wasser und Gras zu den umliegenden Restaurants geliefert. „Krebse können, solange ihre Kiemen noch feucht sind, problemlos atmen und demnach auch trocken transportiert werden. Oft spazieren sie auch im Wald herum“, schildert der Fischökologe das Prozedere.

Vor über 40 Jahren hat er erste Erfahrungen mit den Tieren gesammelt: „Als ich noch ein Kind war, habe ich hunderte Edelkrebse gefangen. Ich habe sie mit Schilf gekitzelt, sie haben mit ihren Scheren zugepackt und so konnte ich sie aus dem Wasser ziehen. All die Jahre später faszinieren mich diese Tiere immer noch. Als wir mit dem Projekt starteten, haben wir zweieinhalb Jahre keinen einzigen Edelkrebs gefangen. Für den Fall der Fälle hatten wir zum Anstoßen immer eine Flasche Sekt dabei, weil es so selten ein Erfolgserlebnis gab.“

Naturpark Weißensee finanziert Exkursionen

Inzwischen hat sich der Bestand einigermaßen erholt. Die Suche aufgeben wollte Müller nie. „Noch können wir nicht sagen, ob diese Forschungen den Edelkrebsen wirklich eine Hilfe sein werden. Sie haben auch ohne uns 40 Jahre lang überlebt. Trotzdem sind die Daten ein wichtiger Beitrag, um die heimischen Krebsarten besser zu verstehen.“ Das Flusskrebs-Monitoring und die Exkursionen werden vom Naturpark Weißensee finanziert und organisiert und vom Fischereirevierverband unterstützt. Einheimische und Touristen können sich den Touren noch bis Ende Oktober anschließen. „Ich bin sowieso immer am Wasser. Wenn jemand mitkommen will, umso besser.“