Es ist Sonntagnachmittag beim Besuch von Ernst Maier. Margarethe Leitner, eine pensionierte evangelische Religionslehrerin, die im nahen Dornbach lebt und viele Stammbäume von Familien in der Gemeinde Malta recherchiert hat, machte auf diesen besonderen Menschen aufmerksam.

Es dauert ein wenig, bis Maier nach dem Mittagschläfchen mit seinem Rollator die Küche des Bauernhauses, vulgo Lippbauer, in das er einst eingeheiratet hatte, betritt. Hell im Geist mit schelmischem Lächeln begrüßt er die Gäste. Gleich fragt er Schwiegertochter Martina über den Inhalt eines Zeitungsberichts, den er am Vormittag gelesen, aber nicht ganz verstanden hat. Er liest sie täglich ohne Brille. Einen Kaffee möchte der 97-Jährige, mit frischer Mehlspeise, und er erkundigt sich, ob wohl jeder alles hat.

Abhärte- und Schießübungen

Ernst Maier ist 1927 beim Ulrichbauer in Brochendorf als lediges Kind zur Welt gekommen. Der Vater ist im ersten Weltkrieg gefallen. Er besuchte die achtjährige Volksschule in Fischertratten und musste danach 200 Schafe in den Nockbergen hüten. Schon mit 14 Jahren musste er in ein Wehrertüchtigungslager nach Nötsch im Gailtal. Danach ging es zur militärischen Ausbildung nach Zwaring in der Steiermark, wo die jungen Burschen den von den Amerikanern bombardierten Ortskern wieder aufbauen mussten.

Nach einer kurzen Phase zu Hause kam im Herbst 1944 der Einberufungsbefahl und einige „Måltinger“ wurden mit dem Lastwagen nach Spittal und mit dem Zug nach Brandenburg befördert. Die Ausbildung bestand in Abhärte- und Schießübungen, verbunden mit den ständigen Propagandaparolen, dass man den russischen Feind besiegen müsse.

Schon mit 14 musste Ernst Maier  in ein Wehrertüchtigungslager nach Nötsch 
Schon mit 14 musste Ernst Maier in ein Wehrertüchtigungslager nach Nötsch  © Repo Pleschberger

Mit 120 Mann ging es weiter nach Berlin, wo man den Hitlerbunker, aber auch im Tiergarten die Benzinvorräte bewachen musste. Nach dem Bombardement der Amerikaner half Maier aus den Trümmern zu retten, was noch zu retten war. Von Februar bis März 1945 mussten die jungen Soldaten in Frankfurt an der Oder gegen die übermächtigen russischen Battailone kämpfen. „Wir jungen Männer wurden als Kugelfutter verwendet“, sagt der betagte Altbauer. Immer wieder wurden Durchhalteparolen eingetrichtert. Schließlich wurde Maier mit weiteren fünf Kameraden im Keller eines Häuschens an der Spree von den Russen gefangengenommen.

Der letzte Heimkehrer in Malta

Der Marsch in die Gefangenschaft dauerte zwölf Tage und war geprägt von Hunger, Durst und Verzweiflung und musste meist kriechend bewältigt werden. Dadurch, dass er die Kaffeekanne unbemerkt mit Weizen füllen konnte, überlebte Maier diese Tortur. Vom Lager Possen in Polen wurden die Gefangenen im Zug nach Moskau gebracht, im Bahnhof Warschau bewarf die Bevölkerung den Zug mit Ziegeln. Schließlich landete Maier mit 30.000 weiteren Gefangenen im russischen Lager Schalekowo, wo die Zwangsarbeit im Ausladen von Kohlen, Instandsetzung von Bergwerks-Stollen und Holzarbeit bestand. Die Gefangenschaft, die er ohne Krankheit bewältigte, dauerte von April 1945 bis November 1950. Maier ist der letzte Heimkehrer der Gemeinde Malta. Über die russische Bevölkerung sagt er kein böses Wort: „Das sind Menschen, wie du und ich.“

Zimmermann heiratete zum Lippbauer

Nach der Gefangenschaft lernte Ernst Maier mit 24 Jahren bei der Firma Preimel das Handwerk des Zimmermanns, heiratete zum Nachbarhof Lippbauer, den er bis zum 60. Lebensjahr bewirtschaftete und an Sohn Ernst übergab. Er hat fünf Kinder und zehn Enkelkinder und wird von Ernst und Schwiegertochter Martina fürsorglich betreut. Das wichtigste ist ihm das Essen. Das Lieblingsgericht „Tållgn“ darf nicht mit Wasser und Salz zubereitet werden, sondern mit Milch und drei Scheiben Butter. Kraftvolle Nahrung und eine gesunde Lebenseinstellung haben ihn sogar einen Oberschenkelhalsbruch vor zwei Jahren überleben lassen.