Geschichte wird von Siegern geschrieben. Und ein Sieger war Hans Sima nicht. Der Ortstafelsturm Anfang der 1970er-Jahre sorgte 1973 für seine Abwahl als Kärntner SPÖ-Vorsitzender, ein Jahr später, nachdem Kanzler und SPÖ-Chef Bruno Kreisky ihn fallen ließ, musste er auch den Posten als Landeshauptmann räumen. Im Land und in der Partei begann die Ära des Leopold Wagner. Zurück blieb Hans Sima, ein in der Seele geschundener Mann, damals 56 Jahre alt, von Weggefährten fortan gemieden.

So kennt die Geschichtsschreibung Sima, nach Hans Pietsch und Ferdinand Wedenig den dritten Kärntner Landeshauptmann seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Die neun Jahre, in denen er als Landeshauptmann wirkte, überhaupt seine gut 40 Jahre als aktiver Sozialdemokrat in unterschiedlichsten Funktionen, sie hatten in der Reduzierung des Lebenswerks bisher keinen Platz neben dem Ortstafelthema und der Abwahl am Parteitag. "Das war auch bei ihm persönlich so. Wenn man in den 2000er Jahren bei ihm war, erzählte er vom Ortstafelsturm, als sei er erst drei Wochen her", erinnert sich Ulli Sima, Enkelin und Wiener Stadträtin (SPÖ).

Ulli und Hans Sima
Ulli und Hans Sima © Privat

Der Hans, wie ihr Opa von allen in der Familie genannt wurde, fasste daher noch zu Lebzeiten den Entschluss, dass sein Vermögen samt Wohnhaus in Dellach in eine Privatstiftung eingebracht wird, die Forschung über die Kärntner Zeitgeschichte – und damit auch sein Wirken – fördert. Das Haus, in den 1960er-Jahren sogar politischer und medialer Streitfall, wurde mittlerweile für etwas weniger als eine Million Euro verkauft, letzte Kunstwerke versteigert. Seither finanzierte die Stiftung eine ORF-Dokumentation und ein Buch über Sima sowie kleinere Stipendien. Nun liegt der dritte große Teil zeitgeschichtlicher Wissensvermittlung vor: Eine Ausstellung über Simas Wirken, die am Freitag in der AK-Bibliothek in Villach eröffnet wurde.

Kurator Oliver Rathkolb versucht gar nicht, das öffentliche Bild des Hans Sima neu zu zeichnen, aber er ergänzt es um Fakten, die aus dem Bewusstsein rückten: Industrie-Ansiedelungen wie Siemens, Knecht (heute Mahle) und Wild sorgten in seiner Zeit für 9900 neue Arbeitsplätze, die erste Seilbahn erschloss damals das Nassfeld, die heutige Universität Klagenfurt wurde gegründet, Umweltschutzmaßnahmen gesetzt und gleichzeitig ein Programm für den ländlichen Raum "damit Licht und Kraft ins letzte Bergdorf" kommt durchgezogen. Sima als Modernisierer eines Landes, dessen Wohlstand auf Entscheidungen der späten 1960er fußt.

Der Sohn einer Kanaltaler Slowenin musste im Ständestaat mit 17 Jahren übrigens für ein halbes Jahr in Haft – weil er deklarierter Sozialist war. "Eine Identifizierung mit der politischen Einstellung, wie man sie heute nicht einmal mehr erahnen kann", würdigte Landeshauptmann Peter Kaiser den 2006 verstorbenen Sima am Freitag – und sprach erstmals seit 50 Jahren ein offizielles Danke der Partei und die Bitte um Versöhnung an den Verdrängten aus. "Nichts, was ich erhofft oder gar erwartet hätte, aber ich denke, den Hans hätte diese herzliche Würdigung ehrlich gefreut", so Ulli Sima.

Innerfamiliär hatten sich die Simas noch zu Lebzeiten ausgesöhnt. Dass das Erbe nicht aufgeteilt wird, sondern in die Forschung geht, war in der Familie nie ein Streitfall. "Er hätte ja auch Luxusreisen machen können oder es irgendwie verjuxen, dann hätte auch niemand etwas davon gehabt", meint die Enkelin mit trockenem Humor.

Ulli Sima, die nach dem Studium der Molekularbiologie bei der Umwelt-NGO Global 2000 als Gentechnik-Expertin arbeitete, war dem Großvater über viele Jahre innerlich fern. Überhaupt als sie zu allem Überdruss bei den Grünen andockte. Als sie schließlich doch in die SPÖ eintrat und in den Nationalrat einzog "meinte der Hans anerkennend: Also irgendwie wird das mit den Genen ja doch passen", erzählt sie.

Muss die Geschichte des Hans Sima nun neu geschrieben werden? Zumindest braucht sie fortan mehr als den Absatz der Niederlage und des Traumas.