Der Wecker schrillt bereits um vier Uhr morgens - für einen Samstag ist das ungewöhnlich früh. Doch wer sich an der Kitzrettung beteiligen will, muss rechtzeitig aufstehen. Denn vor Sonnenaufgang sind die Chancen, die erst wenige Tage alten Tiere vor dem Mähtod zu retten, am größten.
Unglücklicherweise fällt die erste Mahd der Bauern genau in die Setzzeit der Rehe: Zwischen Mai und Juni bringt die Ricke ihre Kitze zur Welt. In den ersten Lebenswochen versteckt sie diese in hohen Wiesen und Feldern, um sie vor Fressfeinden zu schützen. Um die Aufmerksamkeit nicht auf sie zu lenken, besucht sie die Jungtiere nur zum Säugen. In dieser Zeit verfügen die Kitze noch nicht über den typischen Wildtiergeruch.
1500 Kitze erleiden den Mähtod
Bei Gefahr ducken sie sich ins hohe Gras. Eine Überlebensstrategie, die bei der Mahd leider tödlich ist: Jedes Jahr werden in Kärnten 1500 Rehkitze durch Mähmaschinen getötet. „Im Laufe der Jahre wurden die Mähmaschinen immer größer. Der Bauer kann die Kitze mit bloßem Auge nicht mehr sehen“, erklärt Georg Helmigk. „Ins Detail will ich nicht gehen. Aber man kann sich vorstellen, dass bei den heutigen Geräten von den Kitzen leider nicht mehr viel übrig bleibt.“
Drohnen kommen zum Einsatz
Der Klagenfurter Bezirksjägermeister hat letztes Jahr eine Kitzrettungsaktion ins Leben gerufen, um dem Leid nicht länger zuzusehen. Die Jägerschaft bedient sich dabei einer modernen Methode: einer Flugdrohne mit integrierter Wärmebildkamera. „Durchsucht man die Felder händisch, benötigt man pro Gebiet mindestens eine halbe Stunde“, erklärt Helmigk.
Bereits aus mehreren Metern Entfernung kann das Gerät Wärmequellen am Boden aufspüren. „Die Drohne nutzt die Körpertemperatur der Rehkitze, die bei 25 Grad liegt. Dadurch heben sich die Tiere auf dem Display von der kalten Grasoberfläche ab“, erklärt Helmigk. Je weiter der Tag voranschreitet, desto mehr erwärmt sich der Untergrund. Deshalb ist es so wichtig, mit der Suche bereits in der Dämmerung zu beginnen.
Wir werden fündig
An diesem Morgen zieht die Drohne über dem Radsberg ihre Kreise. Der Himmel leuchtet rosa, der Sonnenaufgang rückt näher. Hochkonzentriert verfolgt Drohnenpilot Edgar Kienleitner die Bewegungen auf seinem Display, als das Gerät zu piepsen beginnt. Auf dem blauen Hintergrund ist deutlich ein roter Fleck zu erkennen (siehe Foto rechts oben). „Ein Kitz!“, ist Martin Raunicher überzeugt. Der Obmann der Jagdgesellschaft Radsberg und sein Kamerad bahnen sich mit Stöcken den Weg durchs hohe Gras. Und tatsächlich:
Mitten in der Wiese, durch seine Punkte kaum von den Heublumen zu unterscheiden, versteckt sich ein winziges Rehkitz.
Mit Handschuhen heben die Jäger das Tier vorsichtig in einen mit Gras ausgekleideten Pappkarton. „Rehkitze darf man auf keinen Fall mit bloßen Händen berühren, sonst nimmt die Mutter sie wegen des fremden Geruchs nicht mehr an“, warnt Raunicher. Unter Protestklagen des Jungtieres tragen sie die Kiste in ein angrenzendes Waldstück. „Jetzt warten wir, bis der Bauer mit dem Mähen fertig ist. Danach nehmen wir den Deckel ab. Dann holt die Geis ihr Kitz wieder zu sich“, erklärt Raunicher.
Insgesamt 70 Kitze gerettet
Bis Anfang Juni hat das sechsköpfige Kitzrettungsteam 35 Kitze gerettet. In einer zweiten Phase kamen 40 weitere hinzu. „Wir rechnen damit, dass wir am Ende der Saison über 80 Kitze gefunden haben“, sagt Helmigk.
Unterstützung der Stadt
Auch die Stadt Klagenfurt unterstützt die Rettungsaktion. Das Jagdreferat unter Stadträtin Sandra Wassermann (FPÖ) hat den Ankauf einer zweiten Drohne finanziert. „Dadurch konnten wir unser Team erweitern. Wir haben sechs Drohnenpiloten und können mehrere Reviere gleichzeitig abdecken“, ist Helmigk zufrieden.
Julia Braunecker