Der 5. Dezember. Draußen klirrende Kälte, drinnen, in der Stuben, sitzen die Eltern vor dem warmen Ofen, zwischen ihnen die Kinder. Für sie ist dieser 5. Dezember ein Tag der Entscheidung. Gespannt warten sie, bis es an der Tür klopft. Der heilige Nikolaus tritt ein, gemeinsam mit seinem schaudererregenden Begleiter – dem Krampus.
So war es früher, so ist es noch heute, doch auch der Krampus geht mit der Zeit. Die Kraxn, mit der er der Sage nach die schlimmen Kinder verschleppte, um ihnen das Böse auszutreiben, wurde bei Läufen zum Seltenheitsfaktor. In der jüngeren Generation sind vor allem Kostüme angelehnt an die Populärkultur immer beliebter. Krampusse sehen aus wie die Orks aus „Herr der Ringe“ oder erinnern an Halloween.
In der Abteilung 14 der Kärntner Landesregierung, zuständig für Brauchtumswesen, zählt man aktuell um die 50 gemeldete und somit versicherte Krampusgruppen. „Wahrscheinlich sind es kärntenweit aber um die 200 Gruppen“, erklärt Wolfgang Lattacher, Vorstand des Brauchtumsverbandes Kärnten. Vor allem das Gemeinschaftsgefühl unter jungen Menschen im ländlichen Bereich erstarkte in den letzten Jahren. „Zugehörigkeit zu einer Gruppe spielt eine große Rolle“, meint der Experte.
Über 1000 geschnitzte Masken
Frühmorgens, eine kleine Holzhütte am Stadtrand Klagenfurts. Ein schmächtiger Mann mit Hornbrille öffnet die Tür. Mit ruhiger Stimme führt er durch den kleinen Raum, im Holzofen knistern Scheitel, an den Wänden reißen unzählige „Lorfn“ - Krampusmasken - grimmige Fratzen. „Über 1000 habe ich bereits geschaffen“, erklärt Michael Vallant, freischaffender Künstler. Das Maskenschnitzen habe er sich selbst beigebracht, als er als kleiner Junge vergeblich auf der Suche nach dem Krampus war. „Es war die Faszination, etwas zu kreieren, mit dem man Brauchtum leben kann“, meint er.
Seine Masken sind zu 100 Prozent aus Zirbenholz, die verwendeten Hörner heimisch. „An einer Maske muss die Hand drauf gewesen sein“, erklärt Vallant und scheut damit auch nicht mit Kritik an der Entwicklung des Brauchs: „Am meisten stört mich, wenn Halloween-Figuren als Krampus bezeichnet und Materialien verwendet werden, die man aus dem Film kennt.“ Für ihn zerstöre dieser Trend die Tradition.
Etwas gangbarer sieht Joseph Pickl-Hafner, Brauchtumsdirektor von Kärnten, die aktuellen Tendenzen: „Es ist das Recht der jüngeren Generation, den Brauch weiterzuentwickeln, sich auszuprobieren.“ Filmische Elemente wie jene aus Herr der Ringe sehe er weniger problematisch, „eine klare Grenze ziehen wir allerdings, wenn Halloween mit dem Krampus vermischt wird.“ Denn das sei kein Brauch des Alpenraumes.
Ein Krampus ist kein Percht
Maskenschnitzer Vallant sieht eine weitere Vermischung problematisch: „Der Krampus bestraft die bösen Kinder. Der Percht vertreibt während der Raunächte die bösen Wintergeister.“ Daher treten Perchten frühestens am 21. Dezember, in der Thomasnacht, der längsten Nacht des Jahres, in Erscheinung.
So verschieden diese Wesen in ihrer Auslegung sind, so ähnlich sind sie sich im Auftreten. Denn heute laufen die meisten Krampusgruppen mit demselben Outfit erst bei Krampus-, danach bei Perchtenläufen. Die Traditionalisten unter ihnen beziehen ihre Kleidung von Günter Tschinder.
Ein Krampus-Urgestein, das seit 15 Jahren mit seinen Höfleiner Moorteufeln aus Klagenfurt an Läufen teilnimmt: „Bei mir bekommt man Heidschnucken-, Hirsch-, Schaf- oder Ziegenfelle.“ Auch Tschinder lebt das Brauchtum hoch, moderne Panzerungen aus Silikon oder Kunststoff und blutüberströmte Kostüme, die an Zombies erinnern, seien ein Bruch mit der Tradition.
Ein Bild, wie drastisch das Brauchtum, das seine Wurzeln im Mittelalter hat, von modernen Zügen beeinflusst wird, kann man sich beim Krampuslauf am 17. November in Ferlach, am 18. November in Grafenstein oder am 19. November in Klagenfurt machen. Laut Wolfgang Lattacher ist auch ein Raunachtslauf auf der Schleppe Alm am 30. Dezember geplant.
Martin Johaim