Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einer Fußgängerzone, trinken einen Kaffee und schauen den Menschen rundum zu. Vermutlich fragen Sie sich zwischendurch: Was machen die eigentlich alle? Wie denken sie? Wie schaut ihr Leben aus?

Nun gibt es eine Antwort – und zwar im Stadttheater. Das „Rimini-Protokoll“ (mehr dazu siehe auch Info) will abbilden, wie die Menschen einer bestimmten Stadt ticken. Seit Jahren tourt man mit dem Stück „100 Prozent ...“ durch Städte wie Wien, Brüssel, Tokio, Montreal oder Philadelphia. In Letztere wurde das Theaterkollektiv eingeladen, weil „der dortige Festivalleiter wollte, dass die Menschen endlich kapieren, dass es mehr Schwarze als Weiße in Philadelphia gibt“, erzählt Daniel Wetzel. In Klagenfurt geht es um eine Standortbestimmung anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums der Stadt.

Und Wetzel, 1969 in Konstanz geboren, kann schon einmal sagen: „Ihr habt es sehr gut hier.“ Repräsentiert wird die Stadt von 100 Klagenfurtern, die in mehrmonatiger Recherchearbeit von den Stadttheater-Dramaturgen Philine Kleeberg und Markus Hänsel nach statistischen Kriterien ausgesucht worden sind: „Es gibt ein grundsätzliches Raster, etwa Alter, Geschlecht, Wohnbezirk, Haushaltskonstellationen oder Nationalität“, erzählt Kleeberg. Für zwei Säuglinge „sprechen“ die Eltern: „Es gibt immer Bevölkerungsteile, die nicht selbstbestimmt sind“, so Wetzel, der bei der Zusammenstellung der 100 Klagenfurter eine interessante Erfahrung gemacht hat: „Überdurchschnittlich viele Menschen wollten im Vorfeld erst mit ihrem Partner sprechen. Nun ist man aber mit der Auswahl sehr zufrieden: „Wir bilden die Stadtgesellschaft statistisch sehr genau ab“, ist Wetzel überzeugt.

Rimini-Protokoll zeigt, was in Klagenfurt steckt

Diese 100 Klagenfurter stellen sich diversen Fragen, etwa: Wer raucht? Werden Sie für Ihre Arbeit bezahlt? Wer glaubt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind? Bei Letzterer, so Wetzel, hat während der Proben die Zustimmung zur Gleichberechtigung „immer mehr abgenommen“. Überhaupt wechseln die Antworten: „Die Menschen entscheiden nicht jeden Tag gleich.“ Und es gibt Fragen zu Klagenfurt, etwa: „Welches ist Ihr Lieblingsbad am See?“ Übrigens – so viel sei verraten – darf auch das Publikum Fragen formulieren.

Weil es aber nicht nur Statistik, sondern vor allem eine Art Theaterrevue ist, gibt es in den rund 100 Minuten auch Gruppenbilder, Tanzeinlagen und Musik (mit dabei ist die Gruppe Matakustix). Bei den Besuchern soll sich jedenfalls das Gefühl einstellen: „Das sind wir da oben auf der Bühne.“ Und sie sollen sich fragen: „Wo würde eigentlich ich stehen?“