Das Leben hält Schicksalsschläge bereit, denen man nur mit Fassungslosigkeit und Ohnmachtsgefühl begegnen kann. Sieht man die kleine Iris* mit ihrem wunderschönen Haar in ihrem Bett liegen, sieht man, wie sie sich aufbäumt, weil sie festsitzenden Schleim nicht abhusten kann, hört man ihren Atem rasseln oder beobachtet man, wie ihr der Vater liebevoll per Magensonde die flüssige Nahrung zuführt, die die Mutter zubereitet hat, dann zerreißt es einem das Herz.
Iris ist drei Jahre alt und war ein fröhliches, gesundes Mädchen, der Schatz und Stolz ihrer Eltern, ein „absolutes Wunschkind“. Bei einer ärztlichen Untersuchung dann ganz unerwartet die Hiobsbotschaft: ein Hirntumor. Schock und Schreck waren riesengroß.
„Es zog uns den Boden unter den Füßen weg“, schaudert die Mutter noch heute. Iris musste rasch operiert werden, es ging um Leben oder Tod. „Das waren die schlimmsten Stunden meines Lebens“, hat sie nie vergessen. Die Operation war schwierig, der Tumor blutete stark. „Mein Kind war nicht mehr mein Kind“, erzählt die Mutter erschüttert. „Es war wie eine Porzellanpuppe.“ Eine, die vor Schmerzen krampfte und hoch dosierte Schmerzmittel erhalten musste.
Künstlicher Tiefschlaf
Eine zweite Operation war notwendig. Und wieder konnte der Tumor nicht vollständig entfernt werden. Drei Wochen lag Iris im Tiefschlaf. Die Antwort auf die Frage, ob man Iris die Operation nicht hätte ersparen können, ist einleuchtend: „Dann wäre sie an Atemlähmung erstickt.“
Iris ist seither schwerst behindert. Sie hat keine Muskelkraft, kann nicht sitzen und wird nie aufstehen, gehen oder sprechen können. Immer wieder hat sie epileptische Anfälle. Sie liegt auf einer Spezialmatratze in einem eigens angefertigten Gitterbett, das zu klein zu werden droht. Das rollfähige Bett steht mitten im Wohnzimmer. „Wir stellen sie nicht auf die Seite, sie ist bei uns mittendrin“, sagt die Mutter.
Regelmäßig wird Iris umgelegt und aus dem Bett genommen, damit sie nicht wund liegt und ihre Lunge belüftet wird. Jede Stunde muss sie husten. Die Eltern können keine Nacht durchschlafen. Ein Elternteil muss auch tagsüber immer bei Iris sein.
Reden die Eltern oder ihr Geschwisterteil mit Iris, lesen ihr Märchen vor oder streicheln sie, reagiert sie mit den Augen, lässt sich einen Laut entlocken oder hält die Hand von Mutter oder Vater fest.
Stundenlang ausruhen
„Wir kommunizieren“, lächelt die Mutter, die eher „zum Spielen“ da ist, während der Vater der ist, an dessen Schulter sich die Kleine stundenlang ausruhen kann. Wenn sie müde ist, schläft sie in seinem Arm ein. „Sie ist sehr sensibel“, sagt der liebevolle Vater. „Ihr Gehör und Geruchssinn funktionieren. Ihre Augen nehmen Reize wahr, sie werden im Hirn aber nicht verarbeitet.“
Obwohl sie so ein schweres Los hat, will Iris nicht aufgeben. „Sie kämpft“, sind die Eltern überzeugt. Wenn sie selbst einmal nicht bei ihrer Tochter sein können, kommt eine Kinderkrankenschwester zu ihr. Dafür müssen die Eltern den Selbstbehalt aufbringen, ebenso wie für die Physiotherapie zur Mobilisierung, die mit 60 Euro pro Einheit sehr kostspielig ist. Die Krankenkasse übernimmt nur ein Drittel. Die Kosten für nicht durch Rezeptgebühren gedeckte Medikamente betragen etwa 800 Euro pro Jahr.
Lückenlose Betreuung
Spezialwindeln schlagen mit 300 Euro pro Monat zu Buche, die Spezialnahrung ist auch teuer. Ein orthopädischer Sitz und Reha-Buggy, die mehrere Tausend Euro kosten, mussten berappt werden. Die größten Investitionen sind ein größeres Auto, in dem Iris transportiert werden kann, und ein geplanter Wanddurchbruch zum Elternschlafzimmer, damit die lückenlose nächtliche Betreuung für die Eltern und Iris etwas erleichtert wird. Auch ein Badezimmerumbau und ein Tragelift für das Bad werden bald notwendig sein. Das sind große Belastungen, die mit einem Teilzeit-Einkommen nicht zu stemmen sind.
„Wie gerne hätten wir ein Problem, das wir in die Hand nehmen und lösen können. Aber bei Iris können wir leider nichts ändern“, bedauern die Eltern zutiefst. „Wir können sie nur begleiten und alles tun, damit ihr Leiden so gering wie möglich und ihre Lebensqualität so hoch wie möglich ist.“
* Name von der Redaktion geändert
Elke Fertschey