Es fing ganz harmlos an. In Schnarchling wurde der Polizeiposten zugesperrt. Man erklärte den Menschen, dass es dadurch nun im Ort viel sicherer sei, denn beim nächstgelegenen Revier seien jetzt mehr und besser ausgebildete Polizisten am Werk. Die Ortsbewohner murrten zwar, aber was konnte man schon machen. Wenn man jetzt aber tatsächlich mal was brauchte, konnte es schon passieren, dass man beim Polizeirevier an der Tür klingelte und sich aus der Sprechanlage nur eine Telefonstimme aus der anderen Ecke des Bezirks meldete.

Als Nächstes war die Post dran. Der einzige verbliebene Mitarbeiter hatte am Schluss nicht nur Post- und Bankgeschäfte abzuwickeln, sondern auch Schlager-CDs und sonstigen Kram zu verkaufen. Und plötzlich, von heute auf morgen, war die Postfiliale zu. Der Mitarbeiter kam in ein „Job Center“. Dort ließ man ihn als teuren, weil langjährigen Beschäftigten untätig braten, bis er freiwillig in Pension ging. Anderswo nennt man das Mobbing, aber erfolgreiche Manager finden dafür immer einen besseren Begriff, zum Beispiel „Job Center“. Die Post versicherte, es werde als Ersatz einen Postpartner geben, und natürlich werde alles viel besser sein als vorher.

Der Andrang an Interessenten hielt sich allerdings in Grenzen, und der Versuch eines Ein-Mann-Unternehmers, sich mit Gesundheitsprodukten und als Postpartner in seiner ausgebauten Scheune über Wasser zu halten, scheiterte nach wenigen Monaten. Seither müssen die Schnarchlinger ihre Postgeschäfte im zehn Kilometer entfernten größeren Ort erledigen. Da aber jeder mindestens ein Auto hat, weil „Öffentlicher Verkehr“ hier als etwas Unanständiges gilt, ist das kein großes Problem.

Dann hieß es plötzlich, der Nahversorger werde zusperren. Das war aber wirklich schade. Denn gerade für das, was man beim Diskonter vergessen hatte zu besorgen, war der kleine Supermarkt ideal. Ein Salat und ein Sugo. Eine Kiste Bier in Aktion. Das reichte offenbar nicht für die Gewinnzone. Aber gut, 80 Prozent der Leute pendeln ja sowieso aus, also kauft man halt am Stadtrand bei der Heimfahrt ein. Was soll man machen.

Kurz nach dem Nahversorger schloss die regionale Bankfiliale. Naja, wer braucht im Zeitalter von Onlinebanking noch eine Bankfiliale. Aber dann wurde interessanterweise auch noch der mit ihr verbundene Baumarkt in den Konkurs geschickt, obwohl dort immer viel los war. Dass das Bankmanagement Millionenverluste am Balkan baute und nun die kleinen Filialen dran glauben mussten, ist nur ein Gerücht. Für die Chefetagen gilt stets die Unschuldsvermutung, für die Mitarbeiter nie.

Man gewöhnt sich an alles. Auch daran, dass in der jüngsten Vergangenheit drei Gasthäuser zugesperrt haben, weil keiner aus der Familie sie übernehmen wollte. Und wie soll ein Gasthaus funktionieren, wenn nicht als Familienbetrieb, bei immer mehr bürokratischen Gängelungsmaßnahmen? Denn anders als Starbucks und Co. kann sich ein österreichischer Wirt das Steuerzahlen nicht aussuchen. Daher gibt es halt nicht wie früher das Wirtshaus als Treffpunkt, sondern man trifft sich bei der Müllsammelstelle. Die funktioniert einwandfrei.

Und die Gemeinde Schnarchling? Die tut, was sie kann: Straßen asphaltieren. Denn für so Lappalien wie Ortsentwicklung, Infrastruktur, Arbeitsplätze oder Gemeinwohl fühlt sich die Gemeinde nicht zuständig. Da kann man doch nichts machen. Alles konzentriert sich auf den Zentralraum, und der Rest wird halt zu Schlaforten. So ist das mit dem Strukturwandel. Strukturwandel heißt, jeder Quadratmeter Land wird mit Einfamilienhäusern zugebaut, damit wir unser Kanalnetz finanzieren. Man checkt sich alles im Internet, und den Rest checkt man sich mit dem Auto am Stadtrand. Wer glaubt, dass er was machen kann, soll sich in den Gemeinderat wählen lassen. Und dort wird er dann schnell sehen, dass man da nichts machen kann. Zumindest in Schnarchling.

Anmerkung: Die Gemeinde Schnarchling ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit realen Gemeinden sind zufällig und unbeabsichtigt.