Gott schütze uns vor einer Welt, die von Anwälten bestimmt wird. Wenn der Anwalt L. im Aufsichtsrat eines Unternehmens, sagen wir der Stadtwerke K., sitzt und für dieses Unternehmen hilfreich tätig ist, dann verrechnet er das natürlich nach allen Regeln der Anwaltskunst, denn er ist ja nicht irgendein dahergelaufener ehrenamtlicher Hanswurst, sondern ein Fachmann. Das wären dann für ein Telefonat 500 und für ein Abendessen 20.000 Euro. Bei einem besonders hilfreich tätigen Anwalt und Aufsichtsrat, wie es L. einer ist, kommen da schon gleich einmal 130.000 Euro zusammen. Nur Kleingeister und politische Gegner finden das hinterfragenswert. Wer Zweifel äußert, kriegt eine saftige Klagsdrohung, denn natürlich ist alles juristisch einwandfrei. So einwandfrei wie bei Meischberger. Oder Grasser. Oder Meinl. Oder Mensdorff-Poully. Et cetera. Zumindest ist nichts nachweisbar. Das genügt aus der Sicht der Anwälte, denn die Frage nach Schuld oder Moral stellt sich nur dem Richter, nicht dem Anwalt.

Der Anwalt ist Diener seines Herren, oder, wie bei L., auch mal seiner selbst, wenn Not am Mann ist. Recht hat der, der die Rechtsvertretung hat. Und die kostet natürlich. Recht und billig, das gibt es nicht. Recht teuer, mitunter ja. Daher könnte man natürlich den Eindruck haben, je mehr einer zahlt, umso mehr hat er recht. Nun ja - welcher erfolgreiche Anwalt würde diesem Eindruck widersprechen?

Es kann also jemand ein aufgeblasener, asozialer, schamloser, rücksichtsloser Raffsack sein, dessen ganzes Streben nur seinem größtmöglichen persönlichen Nutzen dient. Wenn er gute Anwälte hat, dann geht das. Und das Schöne an diesem Modell: Die Spirale geht nach oben! Je mehr einer auf diese Weise zusammenrafft, umso mehr gute Anwälte kann er beschäftigen, die dieses System juristisch absichern. Wenn das kein positiver Wirtschaftsfaktor ist! Nur Neider und Steuerzahler finden das nicht unumschränkt toll.

Die beklagen zum Beispiel, dass der coole Apple-Konzern mit seinen teuren Produkten in Irland versteuert, und zwar weniger als zwei Prozent. Oder dass auch Amazon kaum Steuern zahlt. Oder Google. Oder Starbucks. Oder Facebook. Oder IKEA. All den genannten, voll angesagten Konzernen ist gemein, dass sie Milliardengewinne machen, diese aber international so lange hin und her schieben, bis kaum mehr etwas Versteuerbares übrig bleibt. Für solche schlauen Konstruktionen braucht es eine Menge Anwälte, aber es zahlt sich aus. Für Jeff Bezos zum Beispiel. Seine Firma Amazon macht zwar offiziell kaum Gewinn, aber er selbst freut sich über ein Privatvermögen von 46,7 Milliarden Dollar. Dass Amazon solcherart mit quasi steuerlich gestützten Kampfpreisen den heimischen Handel ruiniert - naja, da kann man halt nichts machen. Da müsste man schon im internationalen Gleichklang . . . Und das werden die Lobby-Anwälte zu verhindern wissen. Derweil bestellt man halt als anständiger Mensch nichts bei Amazon, sondern kauft im Laden, solange es noch einen gibt.

Indessen haben die Gewinner ihr Geld dezent in Panama in Sicherheit gebracht, um es den neidigen Blicken derer zu entziehen, denen das Schicksal eine ordentliche Steuerpflicht inklusive Registrierkasse aufgebürdet hat. Der internationale Fachbegriff für dieses Fluchtverhalten lautet "steuerschonend". Denn je mehr einer hat, umso schmerzlicher wäre doch eine Versteuerung. Das muss doch auch einmal den Verlierern einleuchten!

Ach ja, übrigens, falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Es gibt keine Wirtschaftskrise. Es gibt nur eine Verteilungskrise. Denn Geld verschwindet nicht. Es wechselt nur den Besitzer. Und falls Sie sich fragen, was Ihnen die Globalisierung eigentlich bisher unterm Strich gebracht hat: Das ist eine gute Frage. Fragen Sie sich ruhig weiter. Es sei denn, Sie besitzen einen Konzern. Dann ist alles gut.