Peter ist Auspufflehrer. Das heißt, er wohnt nicht im Schulort, fährt gleich nach Schulschluss nach Hause und man sieht nur noch seinen Auspuff. Als Volksschullehrer hat er eine volle Lehrverpflichtung mit 22 Schulstunden. Den Rest auf seine 40 Stunden, also Vor- und Nachbereitungen, Projekte und Fortbildungen, teilt er sich selbst ein. Peter macht das sehr effizient, denn als leidenschaftlicher Sportler möchte er auch ein Privatleben haben. Manche seiner KollegInnen handhaben das anders, die scheinen regelrecht für die Schule zu leben. Da reichen 40 Stunden nicht. Naja - jeder wie er glaubt.

Lena ist 9 Jahre alt. Als Volksschülerin hat sie eine volle Lernverpflichtung mit 27 Schulstunden pro Woche. Mit Hausübungen, Lernen, Flöte, Kinderturnen, Englisch, Theaterclub und Kinderchor kommt sie auf mehr als 40 Wochenstunden. Dass Lena mehr Arbeitsstunden hat als der erwachsene Peter, liegt daran, dass aus ihr einmal etwas werden soll. Leider ist Lena nicht besonders effizient. Sie trödelt rum, lässt sich ablenken, will manchmal nicht, ist langsam. Vielleicht, weil sie ein Kind ist. Und Kinder sind oft kindisch. Der Ernst des Lebens ist ihnen offenbar nicht bewusst.

Lenas Bruder Tom ist 13 und hat im Gymnasium 30 Wochenstunden. Zusätzlich muss er zumindest 2 Stunden pro Tag lernen und HÜ machen. Plus Schlagzeug und Eishockey. Plus Nachhilfe, denn Toms Mathelehrerin sieht sich irgendwie nicht wirklich dafür zuständig, den Stoff so zu erklären, dass man ihn versteht. Das war auch schon vor 25 Jahren so, als sie Toms Papa unterrichtete. Man nennt das Kontinuität im Bildungswesen. Denn didaktisch dazulernen, ist nicht so ihres. Muss auch nicht sein, denn die Lehrverpflichtung als Gymnasiallehrerin beträgt 21 Stunden, den Rest - siehe oben.

Wenn Tom in die HTL geht, wird er zuerst 33, dann bis zu 37 Unterrichtsstunden haben. Plus locker 3 Stunden täglich lernen und HÜ. Oft auch am Wochenende. Macht mindestens 51 Wochenarbeitsstunden, plus Fahrzeiten von etwa 10 Stunden. Schlagzeug wird sich dann nicht mehr ausgehen, Eishockey auch nicht. Bei Lena wird es ähnlich sein, wenn sie in eine HBLA geht. Toms und Lenas Lehrer haben dann eine Lehrverpflichtung von 21 Stunden. Den Rest - Sie wissen schon. Beschwerden über diese Ungleichheit bitte an die Ministerialbürokratie. Oder, gleich erfolgversprechend: Gehen Sie in den Wald und murmeln Sie Ihre Beschwerde in ein Astloch.

Hat man jemals von der Gewerkschaft die Forderung gehört, dass Kinder weniger Arbeitszeit haben sollten als Erwachsene? Ich kann mich nicht erinnern. Dafür haben wir eine aufgeblähte, reformresistente Schulverwaltung aus dem 19. Jahrhundert, die sich gegenseitig verwaltet. Sagen Sie das bitte auch dem Astloch.

Natürlich: Die Kinder sollen nicht verweichlicht werden, sie sollen ruhig schon früh die Härte des Lebens spüren, denn seien wir ehrlich: uns schenkt auch niemand was. Damit wir unser Fertighaus irgendwann abbezahlt haben, müssen Mama und Papa arbeiten gehen. Das heißt, die Kinder müssen früh lernen, zu funktionieren. Und natürlich ist es nicht leicht, das schreiende Kind mit zwei Jahren in die Krabbelstube hineinzuschieben. Aber nach drei, vier Wochen hat sich das Kind daran gewöhnt. Oder resigniert, wie die Kinderpsychologen sagen würden. Wenn es die Resignation gewöhnt ist, dann ist das Kind schulreif. Wir alle müssen doch funktionieren, von der Krippe bis zur Bahre. In die Schule gehen heißt, das Unvermeidliche ertragen zu lernen.

Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir. Wir lernen, dass Sitzen, Auswendiglernen, Nicht-Infragestellen und das Aushalten von Sinnlosigkeit und Langeweile Grundtugenden sind. Das hilft uns später bei Meetings, Arbeitsgruppen, Vereins- und Gemeinderatssitzungen ungemein. Wir lernen, dass es gefragt ist, Erwartungshaltungen zu erfüllen, sich anzupassen und ein perfektes Rädchen im Getriebe zu sein. Und wenn man mit der Schule fertig ist, ist man auch als Schüler fertig. Und das wollen wir doch: fertige Schüler. Damit aus ihnen irgendwann einmal fertige Erwachsene werden. Nach unserem Vorbild.