Versteckte Plätzchen zum Baden im „König der Alpenflüsse“, romantische Eckchen, wo man beginnen kann, „sich in Friaul zu verlieben“, in ihrer Landschaft verwurzelte Menschen, deren Arbeit außergewöhnliche Früchte trägt, Produkte, die den Geschmack der Region in sich tragen und jede Menge Adressen, wo Genussmenschen fündig werden – das Buch von Nicole Richter „Friaul Julisch Venetien mit Geschmack“ ist ein Wegweiser der besonderen Art in ein „kleines Universum“ – für Italiener schon der „ferne Norden“, für nördliche Menschen der „nahe Süden“. 

Dort, wo wir „ein bisschen wie daheim“ sind und doch ganz woanders, hat die Autorin, die beim Styria Verlag Buchprojekte im Alpen Adria Raum betreut hat, Besonderheiten   aufgespürt, die Appetit machen, sich auf Entdeckungsreise zu begeben. Und erst am Schluss wird man erfahren, welche die fünf friulanischen Geheimnisse sind, die im Buch gelüftet werden: Warum in einer Backstube in Triest Reggae erklingt, was eine Christusstatue unter Wasser macht, wo man Küchenmesser schmieden lernt, warum der autochthone Wein Friulano nicht mehr Tocai heißt und warum im Gradeser Boreto Tomaten verpönt sind. Welche Spezialität auf dem Batello Santa Maria in der Lagune von Marano Lagunare genussbereot ist, wird ebenfalls enthüllt: delikate Heuschreckenkrebse.

Delikat und nicht alltäglich: die Heuschreckenkrebse aus der Stella-Mündung bei Marano Lagunare
Delikat und nicht alltäglich: die Heuschreckenkrebse aus der Stella-Mündung bei Marano Lagunare © Nicole Richter

Auf fast 200 Seiten und in übersichtlichen 19 Kapiteln schildert die Autorin, die in Klagenfurt und Palmanova lebt, anschaulich ihre Insidersicht. Selbstredend, dass  es sich bei ihren Beschreibungen um Plätze und Betriebe handelt, die von Einheimischen frequentiert oder geführt werden. „Alle beschriebenen Ziele sind besuchbar“, sagt Nicole Richter, deren Buchprojekt 2020 während der Pandemie mit einem Genuss-Blog, ihrer „erweiterten Visitenkarte“ begonnen hat. Im Gegensatz zum digitalen Social Media Auftritt ist das Buch die Anleitung zu einem sinnlichen Erlebnis.

So lernt man zum Beispiel Valentino Zanin kennen, den Fleischer aus Camino al Tagliamento, der nach alter Handwerkskunst mit 50 Jahre alten Maschinen Salamistangen produziert, die „wahre Kunstwerke“ sind und bis zu anderthalb Jahre reifen. Der „Herr der Insaccati“, der Wurstwaren hütet auch das Geheimnis des „Chimichurri“, der exotischen Gewürzmischung aus Rotwein, Salz und Kräutern, mit der er seine Ripperln mariniert. Um fleischliche Genüsse geht es auch beim Schinkenmacher Renato Molinaro, der als erster und einziger „Prosciutto di Ragogna“ produziert. Die Messer werden gewetzt in Maniago, dem tiefsten Westen Friauls, wo 40 Unternehmen und 500 Menschen einer historischen Profession nachgehen.

Nicole Richter mit Renato Molinaro in seinem Rohschinken-Schlaraffenland, wo die Zutaten aus der Region kommen
Nicole Richter mit Renato Molinaro in seinem Rohschinken-Schlaraffenland, wo die Zutaten aus der Region kommen © Nicole Richter

Um biodynamische Spitzenweine in den Colli Orientali handelt es sich bei „Weinflüsterin“ Bruna Flaibani, die am liebsten dort ist, „wo die Natur spricht“ und in die uralten Rebstöcke „hineinhorcht“. Der Boden ist der Verbündete von „Bruna Dinamica“, Quereinsteigerin aus Bologna, die den kleinen Familienbetrieb übernommen hat.

Das kleine Dorf ohne Nachtbeleuchtung entdeckte die Autorin auf der Suche nach Wildkräutern im Natisone-Tal. In Dughe, wo Caterina Dugaro in Butter gelundenes Mehl in die Zupa uzgana, Kräutersuppe mit mederauca, dem bitteren Mutterkraut, streut, ist es ab Mitternacht stockfinster. Das zweisprachige Grenzgebiet zu Slowenien ist ein „beschauliches Naturparadies mit kulinarischem Eigenleben“ hat Nicole Richer festgestellt. Eigen ist auch das, was Enrico Tuzzi in Dolegna del Collio macht. In seiner Mühle werden alte Getreidesorten aus eigenem Anbau vermahlen und zu Brot gebacken. Tuzzi gründete den „Patto della farina“, den solidarischen „Mehlpakt“, dem Bäcker, Wirte, Unterkunftgeber und Endverbraucher angehören, die das Mehl aufteilen und verwerten.

Mit dem "Mehlpakt" haben die Müller Enrico Tuzzi und Matteo Iordan(li) eine Kooperative gestartet, die Mehl aus alten Getreidesorten verwertet
Mit dem "Mehlpakt" haben die Müller Enrico Tuzzi und Matteo Iordan(li) eine Kooperative gestartet, die Mehl aus alten Getreidesorten verwertet © Nicole Richter

Ein „Dreamteam“ sind auch Giorgio Deganis aus Cormons und seine aus der Weststeiermark stammende Frau Petra Lind, die gemeinsam das Weingut Zorzon betreiben. Auch den Craft-Bieren hat sich die Autorin gewidmet, ebenso dem berühmten friulanischen Leibgericht Frico aus Kartoffeln und Käse. Damit es außen knusprig und innen weich ist, braucht es viel Übung.

Frico aus Kartoffeln und Käse, begleitet von Polenta, ist ein kulinarisches Aushängeschild Friauls
Frico aus Kartoffeln und Käse, begleitet von Polenta, ist ein kulinarisches Aushängeschild Friauls © Nicole Richter

Viele Verdauungsspaziergänge und Wanderwege hat Richter in ihr Potpourri eingebaut, so zum Beispiel den ringförmigen Grüngürtel Parco die Bastioni vor den Toren der „Sternstadt“ Palmanova, deren Grundriss einem Neunzack gleicht. Dort bietet sich schon jetzt eine Augenweide farbenfroher Pflanzen, die auf den italienweit einzigartigen prati stabili, den „mageren Flachland-Mähweisen“ gedeihen. Auch dort stehen die Sterne günstig für eine kleine Stärkung, macht die Autorin Appetit. „Eines haben wir schon gelernt: In Friaul-Julisch Venetien führen alle Himmelsrichtungen zum Genuss!