"Peinlich", "Super-GAU", "Schande", "Ihr seid zu gar nichts fähig!". Spott und Hohn müssen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der SPÖ-Landesparteizentrale nach dem Desaster beim Bundesparteitag in Linz anhören. Erboste Funktionäre, Parteimitglieder und Sympathisanten melden sich in hoher Zahl am Telefon und via E-Mail, sagt Landesgeschäftsführer Andreas Sucher. Es sei schwer zu kalmieren, "wir versuchen vor allem zuzuhören und wenn möglich Erklärungen zu liefern".

Die Parteiaustritte in Folge des "Super-GAUs", wie Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser die fatalen Fehler in Linz bezeichnete, seien "nicht beängstigend", so Sucher. Im unteren zweistelligen Bereich. 50 bis 60 Anfragen zum Parteiaustritt würden vorliegen, wobei Personen, die Samstag wegen der Wahl von Doskozil austreten wollten, Montag eine neue E-Mail schrieben und nun doch bleiben. Wegen Andreas Babler als Parteichef. Es gebe deshalb auch Wiedereintritte.

Eines hört man jetzt in den Kärntner SPÖ-Reihen immer wieder: Wie gut es sei, dass die Landtagswahl vom März geschlagen ist. Würde sie bevorstehen, "es wäre ein Horror. Wir würden voll das Fett abkriegen."

Krisenstab

Erklärarbeit versucht die SPÖ Kärnten auch über ihre Partei-App zu leisten, samt Interviews von Peter Kaiser. Montagnachmittag, als während der Landtagssitzung in Klagenfurt bekannt wurde, dass nicht Doskozil, sondern Babler SPÖ-Chef wurde, tagte im SPÖ-Landtagsklub gleich der Krisenstab: Kaiser, Sucher, Klubdirektor Peter Pegam und die roten Landtagsmandatare saßen zusammen.

Dienstagfrüh bekam Jakob Strauß (früherer Bezirksparteichef, früherer Zweiter Landtagspräsident und Ex-Bürgermeister von Sittersdorf) als Kärntner Mitglied der Wahlkommission der Bundespartei für die Neuauszählung der Parteitagsstimmen mit auf den Weg nach Wien: Er müsse darauf beharren, dass der gesamte Ablauf völlig transparent dargestellt werde und dass man mit klaren Fakten an die Öffentlichkeit gehe. Da dürfe nichts offenbleiben.

"Eine Schande"

Ein Rundruf unter Kärntner SPÖ-Mandataren zeigt: Alle sind ob der Vorkommnisse beim Parteitag "sprachlos und schockiert" und mit empörten Reaktionen von Mitgliedern wie Politinteressierten konfrontiert. Marika Lagger-Pöllinger, Bürgermeisterin von Lendorf, Landtagsabgeordnete und Spittaler Bezirksparteivorsitzende, streicht aber auch hervor: "Wir haben uns als Partei selbst geschadet, nicht aber die Bürger geschädigt." Und sie hält fest: Nicht die gesamte Sozialdemokratie habe "diese Schande bewirkt, sondern einzelne Mitarbeiter und einzelne Gremien".

Auch wenn sie jetzt überall auf den Skandal hin angesprochen werde, sie sei krisenresistent, weil sie privat mit dem Tod eines Sohnes viel Schlimmeres erlebt habe. "Die SPÖ wird nicht untergehen. Sie braucht jetzt Neuaufstellung und Neuorganisation. Und eine Relativierung der Wiener Machtverhältnisse, weniger Einfluss auf die Bundespartei. Vielleicht brauchen wir jetzt diese Krise, um neu aufbrechen zu können."

"Größte Aufholjagd"

Ein hochrangiger SPÖ-Vertreter, der ungenannt bleiben will, hält fest: "Babler kann Parteichef." Und: "Eine bessere Ausgangsposition kann er nicht haben. Denn so tief unten war die SPÖ noch nie. Er kann also die größte Aufholjagd aller Zeiten starten."

Ronald Rabitsch, Kabeg-Zentralbetriebsrat und stellvertretender Parteichef der SPÖ Klagenfurt, hat beim Parteitag Doskozil gewählt und sagt nun: "Ich war für Doskozil, aber nie gegen Babler." Der werde es "schon machen. Wenn er die Partei mit einem guten Team breit aufstellt, können wir auch gestärkt aus dem Schlamassel hervorgehen."

Für Günther Vallant, SPÖ-Bürgermeister von Frantschach-St. Gertraud und Erster Präsident des Gemeindebundes, ist es "schleierhaft", wie das falsche Wahlergebnis passieren konnte. Es sei ein Imageschaden für die SPÖ, für Andi Babler "ein denkbar schlechter Start". Als langjähriger Bürgermeister sei er auch Wahlleiter und für den korrekten Ablauf von Wahlen verantwortlich. 

"Gesagtes ist umzusetzen"

Für Stefan Visotschnig, SPÖ-Bürgermeister von Bleiburg/Pliberk, "ist es eine Blamage, dass hochrangige Politiker, die gemeinsam in einer Wahlkommission sitzen, nicht fähig sind, eine Wahl durchzuführen". Er vergleicht: "Bei jeder Gemeinderatswahl haben wir mehr Stimmen zu zählen und da hatten wir nie Probleme." Von Bablers Parteitagsrede sei er begeistert gewesen, sagt Visotschnig. "Ich hoffe nur, dass er das Gesagte umsetzen kann. Und es haben hoffentlich alle überrissen, dass wir zusammenarbeiten müssen."

"Fühle mich gefrotzelt"

In der Kärntner SPÖ ist Manfred Spitzer ein gut Bekannter. Über Jahrzehnte hat er als Pressesprecher der früheren Landeshauptmannstellvertreter Herbert Schiller, Michael Ausserwinkler und Reinhart Rohr sowie von Parteichef Helmut Manzenreiter gewirkt. Doch jetzt hat der Pensionist nach 35 Jahren SPÖ-Mitgliedschaft "die Schnauze voll". Spitzer hat der Partei seinen Austritt übermittelt, "fühlt sich gefrotzelt", weil die Parteitagsdelegierten das Mitgliedervotum negierten und nicht den Erstplatzierten (Doskozil) wählten. "Das Kapitel ist für mich abgeschlossen", teilt er seiner Partei mit. "Mein Herz wird weiterhin rot bleiben, meine künftigen Stimmzettel allerdings weiß."