Gewissheit und Abschließen-Können – das sind die Motive von Menschen, die sich bei der Personensuche des Roten Kreuzes Kärnten melden, weil sie aus unterschiedlichen Gründen Familienangehörige vermissen. Mehr als zehn Anträge liegen bei Abteilungsleiterin Bettina Zöhrer derzeit am Tisch – fünf von ihnen werden aktuell bearbeitet: Hinter diesen fünf Suchanträgen verbergen sich insgesamt vier Fluchtgeschichten. Auseinandergerissene Familien versuchen, einander wiederzufinden. Für das Rote Kreuz rücken diese Menschen nicht nur am Tag der Verschwundenen (30. August) ins Zentrum des Interesses.

"Wer seine Familie auf der Flucht verloren hat, muss mitunter jahrelang auf eine Meldung warten", weiß die Expertin. Die Hoffnung auf ein Wiedersehen aufzugeben, sollten die Betroffenen aber nicht. Erst vor 14 Tagen konnte die Familie eines in Villach gestrandeten Burschen aus Afghanistan in Teheran ausgemacht werden. "Die Familie wurde auf der Flucht getrennt. Der Mann kam als Jugendlicher nach Kärnten und hat Jahre darauf gewartet, endlich wieder Kontakt mit seiner Familie aufnehmen zu können. Jetzt hat es geklappt", freut sich Zöhrer hörbar über den Erfolg.

Bild auf Suchplattform erkannt

Gelungen ist die Kontaktaufnahme deshalb, weil ein Foto des Geflüchteten auf der Suchplattform tracetheface.org veröffentlicht wurde. Das Internationale Rote Kreuz ist Mitbetreiber der Plattform und leitet Hinweise an die jeweils zuständigen Organisationen weiter. "Hier ist nur das Gesicht von demjenigen zu sehen, der seine Familie sucht. Wer das Foto auf der Plattform erkennt, meldet sich aktiv bei den Betreibern. Dann wird der Kontakt hergestellt", erklärt die Rot-Kreuz-Mitarbeiterin.

Frau und fünf Kinder verschollen

Und die Arbeit geht Zöhrer nicht aus: Ein Mann aus Afghanistan hat sich erst vor wenigen Wochen bei ihr gemeldet. Er hat auf der Flucht aus dem Taliban-Staat seine Frau, seine zwei Töchter und seine drei Söhne verloren. Er hat keinerlei Anhaltspunkte, wo sich seine Familie aufhalten könnte und hofft, dass das Rote Kreuz hier helfen kann. Was er jetzt braucht, ist ein langer Atem.

Bei dem fünften Antrag handelt es sich um eine sogenannte Schicksalsklärung aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Familie des vermissten Onkels weiß nicht, wo und wann der Mann gestorben ist. "Hier geht es um das Abschließen mit der Unwissenheit. Es gibt womöglich ein Grab, an dem man trauern kann."