Wer in das Gesicht von Fritz Hanze blickt, der kann nur erahnen, was er derzeit durchmacht. Seit mehr als 50 Jahren lebt er mit seiner Familie in der Vogelsangsiedlung in Einöde bei Treffen. Bis zum Jahrhundertunwetter am vergangenen Mittwoch. "Kurz vor zwei Uhr habe ich mit meiner jüngsten Tochter Iris noch aus der Tür geschaut und wir haben gesagt: 'Es ist nicht so schlimm, nur ein halber Meter Schlamm vor dem Haus'", lässt er die Nacht Revue passieren. Nur wenige Minuten später wurden der ehemalige Gemeindearbeiter und seine Tochter zu Lebensrettern seiner zweiten Tochter Silvia, die im gemeinsamen Haus im Parterre lebt. "Als die zweite Partie an Schlamm und Geröll dahergekommen ist, haben wir sie im letzten Moment um die Ecke von der Treppe gerissen und sie in den ersten Stock bringen können. Sonst wäre sie mitgezogen worden. Silvia hatte seit 2006 eine Gehirnblutung, seitdem ist sie einseitig gelähmt. Stiegen steigen kann sie nur Schritt für Schritt", schildert er die bangen Momente.
Die Unwetternacht verbrachte Hanze dann gemeinsam mit seiner Frau Friederike Mathilde, den Töchtern Iris und Silvia sowie Enkel Moritz im sichereren ersten Stock.
Bei Tageslicht zeigte sich schließlich das gesamte Ausmaß der Katastrophe. "Wir haben die Wohnung von Silvia barrierefrei ausbauen lassen. Alleine in das Bad haben wir 40.000 Euro investiert. Jetzt ist alles kaputt", erzählt der Pensionist in erstaunlich ruhigem Ton. Der gegenüberliegende Bach habe im Erdgeschoß alle Fenster eingedrückt, acht Stunden lang sei Wasser in das Haus geronnen. Auch im ersten Stock sei alles zum Wegschmeißen, weil die Nässe überall hineingekrochen sei. Die Schäden dort beziffert er zwischen 50.000 und 60.000 Euro.
Frau und Tochter Silvia wurden Mittwochfrüh über das Fenster geborgen, die Tür war nicht mehr zu öffnen. "Meine Familie ist bei Verwandten untergekommen, ich bin alleine im Haus, schlafe seit Freitag auf einem Notbett vom Bundesheer. Die beiden Nächte davor bin ich bei einer Nachbarin untergekommen. Ich will meiner Familie diese Situation nicht zumuten. Weinen kann ich auch alleine", erzählt Hanze. Im selben Atemzug freut er sich aber über den Zusammenhalt innerhalb der Siedlung. "Ich gehe jeden Tag um 6.30 Uhr zur Nachbarin frühstücken, eine andere Nachbarin kocht jeden Tag für alle", beschreibt er seinen neuen Alltag. Und dazwischen? Dazwischen wird geschaufelt, gebaggert, herausgerissen – ebenfalls mithilfe der Nachbarn. Hanze selbst ist körperlich angeschlagen, hat Probleme mit dem Herzen.
Das lasse sich alles beheben, ist er überzeugt. Der Bodenleger war schon bei ihm, um die Küche im ersten Stock auszumessen. Die größten Sorgen macht sich der Vater um die Zukunft von Silvia. "Sie ist auf unsere Hilfe angewiesen und braucht deshalb für den Übergang eine barrierefreie Wohnung in der Nähe", hofft der Treffener auf schnelle Hilfe von der Gemeinde.
Barbara Pertl