Seinen ersten Roman schrieb er in einem feuchten Kellerloch, mittlerweile bewohnt er eine schöne Wohnung in Brooklyn (und auch im kommenden Sommer wieder für ein paar Monate das Haus seiner Großeltern in Friesach). Mit seinem Debüt "Die rechte Hand des Schlafes" erregte John Wray große Aufmerksamkeit, mittlerweile feiert ihn das amerikanische Feuilleton als genialen Autor zwischen Salinger und Dostojewski.

Rettung vor Klimawandel. Er selbst sieht das gelassener: "Zwischen mir und einem Genie wie Dostojewski liegen Lichtjahre", so der Austro-Amerikaner mit Kärntner Mutter. Bei aller Bescheidenheit: Der 37-Jährige gilt längst als einer der wichtigsten US-Jungautoren. Nun ist sein dritter Roman "Lowboy" unter dem Titel "Retter der Welt" auch auf Deutsch erschienen. Wray erzählt von einem 16-jährigen paranoid-schizophrenen Jungen, der durch das New Yorker U-Bahn-System irrt und die Welt vor dem Klimawandel retten will.

Geisteskrankheiten kommen in all Ihren Büchern vor. Was reizte Sie an diesem Thema?
John Wray: Schwer zu sagen. Ich habe zwar in meiner Jugend zwei Freunde gehabt, die später unter Schizophrenie gelitten haben, aber Schizophrenie ist so weit verbreitet, dass fast jeder Schriftsteller etwas ähnliches sagen könnte. Extreme Zustände faszinieren mich einfach und nichts könnte extremer sein als mit dieser Krankheit kämpfen zu müssen.

Wie haben Sie über die Krankheit recherchiert?
John Wray: Ich habe mich sehr bemüht, die Sache von allen möglichen Richtungen anzugehen: lesen, beobachten, Kliniken besuchen. Die Recherchen waren das Schwierigste, was ich bisher in meiner Karriere getan habe, aber ich hätte auch jahrelang weiter machen können damit, weil sie so unglaublich interessant waren.

Sind New Yorks U-Bahnen wirklich voller Schizophrener, wie man nach dem Lesen Ihres Buches vermuten könnte?
John Wray: Es gibt tatsächlich verdammt viele Schizophrene in der New Yorker U-Bahn und in New York überhaupt. Schuld daran ist der Widerwillen des Staates, Geld für die Erhaltung von Anstalten auszugeben, weshalb viele in den letzten paar Jahrzehnten zugesperrt worden sind.

Sind Sie ebenso fasziniert von U-Bahnen wie Lowboy?
John Wray: Mein Onkel hat – als Stadtplaner – an der U-Bahn Planung Wiens teilgenommen und Fragen des öffentlichen Verkehrs waren dadurch immer ein Thema. Und ich kann in der U-Bahn gut arbeiten: Dazu braucht man einfach gute Kopfhörer und eine passende Playlist auf dem Laptop.

"Lowboy" versucht den Klimawandel aufzuhalten – Barack Obama will sich auch dieses Themas annehmen. Könnte er der "Retter der Welt" sein?
John Wray: Obama kann vielleicht die allgemeine Richtung der USA ändern, aber damit ist die Arbeit nur begonnen. Und er ist – leider – nur ein Mann. An so einer großen Aufgabe müssen wir alle teilnehmen. Mir persönlich macht der Klimawandel jedenfalls wirklich große Angst.

Ihr zweiter Roman "Canaan´s Tongue", der vom Sklavenhandel erzählt, ist nicht ins Deutsche übersetzt worden. Warum?
John Wray: Gute Frage! "Canaan’s Tongue" ist sicherlich mein amerikanischster Roman, aber das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein. Er wäre auch äußerst schwierig zu übersetzen, aber den Italienern, zum Beispiel, ist die Aufgabe blendend gelungen.

Zu guter Letzt noch eine persönliche Frage: Ich höre, Sie singen gerne Karaoke. Steckt in Ihnen neben dem Autor auch ein Musiker?
John Wray: Ich schäme mich nicht, zuzugeben, dass ich ein begeisterter Karaoke-aficionado bin. Ich war einmal bei ein Geburtstagsfest im New Yorker Chinatown, wo (unglaublich, aber wahr!) Bette Middler mein Karaokesingen gelobt hat. Ich hätte an Ort und Stelle glücklich sterben können.