In der Frage um die Anerkennung der bosnischen Minderheit in Österreich als autochthone Volksgruppe kommt von Kärnten ausgehend – mit Nihad Uk, Premierminister des Kantons Sarajewo, begrüßte ein bedeutender Vertreter aus Bosnien diesen Vorstoß im Gespräch mit der Kleinen Zeitung – weiter Bewegung.

Nihad Uk bei seinem Besuch in Kärnten mit Landeshauptmann Peter Kaiser
Nihad Uk bei seinem Besuch in Kärnten mit Landeshauptmann Peter Kaiser © Josef Bodner

Schon lange wird die Initiative von der „Gesellschaft Bosnischer Akademiker in Österreich“ verfolgt, sie erwarte sogar in der kommenden Legislaturperiode des Nationalrats die offizielle Anerkennung. Die Volksgruppe der österreichischen Bosnier habe „seit über einem Jahrhundert einen ununterbrochenen und traditionellen Aufenthalt in Österreich“, erklärt man.

„Historische Verbundenheit mit Österreich“

Aus vielerlei Gründen habe man sich den Volksgruppenstatus verdient, genannt werden dabei insbesondere vier Aspekte. Die historische Verbundenheit mit Österreich skizziert Siradj Duhan, Präsident der Gesellschaft Bosnischer Akademiker, gegenüber der Kleinen Zeitung etwa mit Bezug auf das zweite bosnische Regiment, ein Eliteregiment der k.u.k. Armee, und auf österreichische Soldatenfriedhöfe, auf denen hunderte bosnische Militärs, die für die Monarchie gekämpft hatten, ihre letzte Ruhe fanden: „Das sind eindeutige Beweise für eine jahrhundertelange untrennbare Vergangenheit und Verbundenheit der Vorfahren und somit der heute in Österreich lebenden Bosnier mit dem Land.“

„Anerkennung hätte Signalwirkung“

Als zweites Argument führt Duhan die „zahlenmäßige und territoriale Verbreitung der Bosnier in Österreich“ an. Der Präsident der Gesellschaft Bosnischer Akademiker in Österreich sieht aber auch in einer möglichen Signalwirkung ein Pro-Argument: „Für den Rechtsstaat, weil Österreich damit in Brüssel zeigen könnte, dass man sich um die gut integrierten und beheimateten Minderheiten kümmert. Für andere Volksgruppe, die mit besonderer Anerkennung unterstützt werden und für den Wirtschaftsstandort, weil gut ausgebildete Bosnier einen weiteren Grund hätten, in Österreich zu bleiben.“

Prominente Unterstützer

Darüber hinaus sei auch das Unterstützungskomitee ein Argument für die Anerkennung – und dieses ist tatsächlich prominent besetzt. So gehören diesem etwa Ex-Bundespräsident Heinz Fischer, der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler, mit Irmgard Griss die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, der EU-Abgeordnete Helmut Brandstätter, die Grüne Generalsekretärin Olga Voglauer sowie auch der Dachverband für serbische Vereine in Wien und das Kroatische Zentrum Wien an. Als Initiator des Komitees gilt der vor zweieinhalb Jahren verstorbene Ex-ÖVP-Vizekanzler Erhard Busek.

Ist sogar FPÖ für Anerkennung?

Zwar werden hier Vertreter aus SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS genannt, doch überrascht die Aussage von Präsident Duhan, wonach sich keine Partei ablehnend geäußert habe. Denn er erklärt: „Wir haben mit allen parlamentarischen Fraktionen gesprochen.“ Dies würde freilich auch bedeuten, dass die Freiheitlichen nichts gegen eine Anerkennung der Bosnier als autochthone Volksgruppe in Österreich hätten, während sogar SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser Einwände anzumelden hatte.

Das Argument von Landeshauptmann Peter Kaiser, wonach eine Anerkennung der Bosnier Tür und Tor auch für denselben Vorgang weiterer Ethnien öffnen würde, kommentiert der Präsident der Gesellschaft Bosnischer Akademiker in Österreich kurz und knapp: „Das ist nicht unser Thema, aber wir glauben, dass die österreichischen Bosnier sich die Anerkennung verdient haben.“

Bosnische Community in Kärnten dafür

Innerhalb der bosnischen Gemeinschaft hätten sich, so Duhan, bereits zehn Vereinigungen der Initiative angeschlossen. Eine große Mehrheit der Bosnier würde die Anerkennung befürworten. Wir haben mit jeweils zwei Bosniern und Bosnierinnen aus Kärnten gesprochen, sie würden sich allesamt eine Anerkennung wünschen.

Lejla wurde in Österreich geboren und ist hier aufgewachsen, hat aber bosnische Wurzeln. Sie betont, dass Bosnier in Österreich und in Kärnten gut verankert sind: „Sie sind in den unterschiedlichsten Bereichen vertreten, sei es in der (Hoch-)Schulbildung, religiös-kulturellen Vereinen oder als Unternehmer.“

Edin glaubt, die Anerkennung würde helfen, „die kulturelle und vor allem sprachliche Identität der Bosnier in Österreich zu bewahren und zu fördern“
Edin glaubt, die Anerkennung würde helfen, „die kulturelle und vor allem sprachliche Identität der Bosnier in Österreich zu bewahren und zu fördern“ © Privat

Auf die Relevanz der „Gleichbehandlung von ethnischen Minderheiten“ pocht der bosnisch-stämmige 17-jährige Elvedin, denn: „Auch Slowenen, Kroaten, Ungarn, Roma und andere genießen bestimmte Rechte und kommen in den Genuss von staatlicher Förderung.“

Für Edin ist eine Anerkennung wichtig, um „die kulturelle und vor allem sprachliche Identität der Bosnier in Österreich zu bewahren und zu fördern“. Er bezieht sich dabei auf staatliche Unterstützung für kulturelle Einrichtungen der Bosnier in Österreich. „So könnten auch junge Menschen neben ihrer neuen Heimat Österreich auch die Heimat ihrer Großeltern und Eltern im Herzen bewahren.“

„Bin Österreicherin mit Bonus“

Samra sieht sich als „Österreicherin mit Bonus“
Samra sieht sich als „Österreicherin mit Bonus“ © Privat

Ähnlich sieht das Samra aus dem Vorsitzteam der Muslimischen Jugend Österreich (MJÖ) in Kärnten: „Ich habe mich immer als Österreicherin mit Bonus gesehen. Dieser Bonus sind meine bosniakischen Wurzeln, eine weitere Kultur und auch eine weitere Sprache, über die ich verfüge.“ Als Lehrerin und Pädagogin würde sie es schade finden, wenn die Kinder der nächsten oder übernächsten Generation über dieses Plus nicht mehr verfügen. „Wir in der MJÖ versuchen Jugendlichen, die in zweiter und dritter Generation hier leben, mitzugeben, dass sie sich nicht zwischen zwei Ländern, Kulturen, Sprachen entscheiden müssen.“

Hilfe gegen Assimilierung

Von der Anerkennung erwartet sich Präsident Duhan – wie auch der Premierminister des Kantons Sarajewo bei seinem Besuch in Klagenfurt – weniger Gefahr für die Assimilierung der Volksgruppe: „Eine anerkannte Minderheit ist ein legitimes Gremium, das an der Integration arbeitet, aber gleichzeitig die Gemeinschaft vor Assimilation schützt. Wir möchten, dass unsere Menschen sich über mehrere Generationen hinweg nicht assimilieren, sondern stolze und ehrenhafte Österreicher bleiben, die ihre Tradition bewahren.“ Es gehe darum, ein Garant für den Erhalt der bosnischen Sprache und Identität in Österreich zu sein.

Überraschung aus dem Bundeskanzleramt

Zuständig für eine Anerkennung ist in erster Linie die Bundesregierung, genauer gesagt das Bundeskanzleramt. Auf Anfrage der Kleinen Zeitung verweist man dort auf das Volksgruppengesetz: „Dieses sieht keinen eigenständigen Antrag auf Anerkennung einer Volksgruppe vor. Die Anerkennung als Volksgruppe erfolgt dadurch, dass per Verordnung der Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates nach Anhörung der in Betracht kommenden Landesregierung der Volksgruppenbeirat eingerichtet wird.“

Dann jedoch die Überraschung, denn wie erklärt wird, sei derzeit beim Verfassungsgerichtshof ein „Verfahren hinsichtlich der grundsätzlichen Frage der Möglichkeit einer Antragstellung auf Anerkennung einer Volksgruppe im Rahmen des Volksgruppengesetzes anhängig“, so Michael Tögel, Pressesprecher von Integrationsministerin Susanne Raab. Der Ausgang des Verfahrens beim Verfassungsgerichtshof werde nun abgewartet. Es ist zu vermuten, dass sich dieses Verfahren eben auf die bosnische Minderheit in Österreich bezieht. Und das dürfte wohl weiter Bewegung in die Sache bringen.