Heute vor genau einem Jahr ging Elizabeth II. den Weg alles Irdischen. Im selben Moment rückte automatisch ihr ältester Sohn Charles nach – und nun ist die Zeit für die erste Zwischenbilanz als britischer König gekommen.

Jene, die sich vom 74-Jährigen radikale Reformen und Brüche in einer endlos langen Linie erwarteten, dürften ohnehin eine verschwindende Minderheit gewesen sein – mittlerweile ist aber klar: Charles III. ist König der Kontinuität in zutiefst bewegten Zeiten, leistet solide Instandhaltungsarbeit an der ältesten Monarchie der Welt. Das Haar noch weißer und (so weit noch vorhanden) etwas länger, definitiv angekommen in der ihm ein Leben lang zugedachten Rolle. Er fühle sich "vollkommen wohl in seiner Haut", bestätigen auch Mitarbeiter.

Charles III., seine Gattin Camilla und im Hintergrund: seine Schwester Anne
Charles III., seine Gattin Camilla und im Hintergrund: seine Schwester Anne © (c) IMAGO

Emotionale Worte zum ersten Todestag

Die Royals widmeten der verstorbenen Queen ein emotionales Posting mit einem persönlichen Statement von König Charles.

"Die Monarchie am Leben halten"

"Man hat mehr den Eindruck, dass er es anlegt, wie seine Mutter in der letzten Phase ihrer Regentschaft die Monarchie am Leben halten will", bilanziert die Politologin Melanie Sully (siehe Infobox unter diesem Absatz). "Not my King!", skandierten Monarchiegegner indes am Tag der Krönung im Mai: Die große Krise brach nicht aus, die alten Probleme verschwanden nicht. Um Flugreisen kommt auch der erklärte Umweltschützer Charles nicht herum, dazu ein enormer Hofstaat. Und das in Zeiten, in denen es in Großbritannien an allen Ecken mangelt und krankt – derzeit macht poröser Beton Schulen im Land unbenutzbar.

Kennerin der britischen Monarchie und Politik: Melanie Sully
Kennerin der britischen Monarchie und Politik: Melanie Sully © (c) Philipp Bergermayer



Besonders erbittert feuert die Gruppe "Labour for a Republic": "Priorität der Tories: Geld, um seltsame Portraits von Charles aufzuhängen. Keine Priorität: Geld, um Schulen strukturell sicherer zu machen." Lukrative Windparks in den Krongebieten vor den Küsten dürften für das Königshaus viel Geld anwehen. Der zumindest erhoffte Sparkurs der Windsors fand bislang nicht statt – dafür verteilt Charles spontane "Handshakes" im Volk. Seine Neuordnung diverser Residenzen fällt eher unter "Luxusprobleme". Republikaner finden viel Angriffsfläche.



Im Ausland orientiert sich der König bislang an historisch wichtigen Partnern: Charles und Königin Camilla wollen vom 20. bis 22. September Paris einen Staatsbesuch abstatten. Diese Visite war wegen der Proteste in Frankreich vertagt worden. Im März führte sein erster offizieller Auslandsbesuch nach der Thronbesteigung Charles nach Deutschland: Die teils in makellosem Deutsch gehaltene Rede vor dem Bundestag in Berlin war sympathisch und nie banal. Charles ist "voll im Einsatz", was die internationale Repräsentation des Königreichs betrifft, solange Gesundheit und Alter es ihm erlauben. Bis 6. September nahm er an 161 Tagen 550 Verpflichtungen wahr. Nicht zuletzt gilt es ja, Europa bei der Stange zu halten.



Ein Impuls sind die "Windrush"-Portraits jener Generation, die vor 75 Jahren, im Juni 1948, mit dem Schiff "HMT Empire Windrush" aus der Karibik nach Großbritannien gekommen sind: Charles identifiziert sich mit diesem Projekt, nicht zuletzt, weil er selbst 1948 geboren wurde: Er will die Verdienste der Einwanderer würdigen, ein Kontrapunkt zur harschen Migrationspolitik der Regierung von Premier Rishi Sunak.

Die Monarchiegegner werden lauter und lauter in Großbritannien
Die Monarchiegegner werden lauter und lauter in Großbritannien © (c) AP (Violeta Santos Moura)



Laut neuer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov wollen 62 Prozent der Briten auch weiterhin in einem Königreich leben. Knapp ein Viertel (26 Prozent) bevorzugt hingegen ein gewähltes Staatsoberhaupt. Der Rest ist unsicher. Gerade die jüngere Generation hat alle Hände voll zu tun, sich eine Zukunft aufzubauen und profitiert nicht von einer antiquierten Institution: Da verwundert es auch nicht, dass derzeit nur 37 Prozent der 18- bis 24-Jährigen Großbritannien fortan als Monarchie sehen, während 40 Prozent ein gewähltes Staatsoberhaupt bevorzugen. Ältere zehren vom Glanz der Ära von Elizabeth II. – für Charles ohnehin unerreichbar.

Seit Jahren erklärtes Sorgenkind der Familie und mittlerweile isoliert: Harry
Seit Jahren erklärtes Sorgenkind der Familie und mittlerweile isoliert: Harry © (c) AP (Kirsty Wigglesworth)

Familienstreitigkeiten sind weiter ungelöst

"Zu guter Letzt" ungelöste "Familiensachen"! Prinz Harry (selbst gewähltes Exil) und Prinz Andrew (unfreiwilliges Seitenaus) sind nach wie vor ernsthafte Problemfälle und Gift fürs Image. Ein kolportiertes "Gipfeltreffen" mit Charles' älterem Sohn William und Frau Kate soll die Zukunft abstecken. Harry zeigen sowohl Vater als auch Bruder seit einiger Zeit nur noch die kalten Schultern.



Vieles deutet bereits klar darauf, wer künftig gefordert sein wird: Charles wird – schon rein biologisch gesehen – ein König des (gefestigten) Übergangs. Große Reformagenden wird er William überlassen: Für diesen und die "Firma" wird es, tief im 21. Jahrhundert angekommen, nach vorne gehen müssen.