Österreich ist auf dem Mars. Nun ja, beinahe: Am Montag startete die neue Mars-Feldsimulation "AMADEE-20" des Österreichischen Weltraumforums (ÖWF) in der geologisch hochinteressanten israelischen Negev-Wüste. Mit dabei: Vier Männer und eine Frau aus Israel, Portugal, Spanien, Deutschland und den Niederlanden – und der Tiroler Quantenphysiker Robert Wild. Bis Ende Oktober wird mit zahlreichen Experimenten neue Technologie erprobt und nach Schwachpunkten bzw. Fehlern in den Arbeitsabläufen gesucht: Puzzlesteine, will Mensch auf dem Roten Planeten einmal (über)leben.
Die Simulation ist eine extreme Lockdown-Situation, wie Missionsleiter Gernot Grömer vom ÖWF im Interview erklärt: "Unsere Analog-Astronauten sind in Isolation und nur zehn Minuten zeitverzögert via Satellitenleitung über das Mission Support Center in Innsbruck erreichbar. Um das Risiko von Lagerkoller – den viele Menschen auch in der Pandemie erfahren mussten – zu reduzieren, haben wir auf eine aufwendige Selektion, viel Ausbildung und psychologische Überwachung geachtet." Die größten zwischenmenschlichen Probleme ergeben sich oft aus den scheinbar unwichtigsten Details – vergleichbar mit einer Partnerschaft: "Nicht ordentlich abgespültes Geschirr, kleine Unpünktlichkeiten oder Hygienestandards. All das können wir mittlerweile gut verstehen."
Das Habitat vor Ort (Labor und „Crew Module“) ist eng und mit technischer Ausrüstung vollgestopft, der Entwicklungsbedarf für eine menschliche Siedlung am Mars riesig: Elementar sind etwa Energieversorgung, Wasseraufbereitung, Gasaustausch und Strahlenschutz. Die Außeneinsätze sind physisch extrem fordernd: Diese werden über Stunden im 40 Kilo schweren Raumanzug absolviert bzw. simuliert.
"Es geht nicht nur um große architektonische Designentwürfe und komplexe Lebenserhaltungssysteme, sondern – das sehen wir bereits bei der Basisstation in der Negev-Wüste – die Details: Ein verstopfter Wasserfilter, der nicht gewartet werden kann, kann dann schon zu einer Katastrophe für die Crew werden. Es geht um Technologien, die außergewöhnlich robust, langlebig und wartbar sein müssen." Es wird der größte Sprung, den die Menschheit vor sich hat – und man vergesse nicht: Das nächstgelegene Ersatzteillager ist am Mars 380 Millionen Kilometer entfernt.
Die Crew hat ausgeklügelte Ausrüstung in Gebrauch: Der Rover "Mercator" der technischen Universität Graz etwa ist ein autonomes Fahrzeug, das – basierend auf Navigationsdaten der Drohnen – selbst den Weg findet. "Das Team rund um Gerald Steinbauer ist nach dem Oman zum zweiten Mal dabei – man sieht klare Fortschritte", betont Grömer. Drei Doktoranden der Universität Klagenfurt sammeln vor Ort außerdem Daten zur Weiterentwicklung des Mars-Helikopters "Ingenuity", der derzeit den "echten" Roten Planeten erkundet.
Eine heikle Frage, die sich gerade bei der ersten Marsmission stellt: Gibt es ein Zurück für Mensch? Grömer will nicht von Himmelfahrtskommandos sprechen: „Wir gehen davon aus, dass die ersten Expeditionen als Rückkehrmissionen ausgelegt sind: Das Konzept sieht vor, zuerst mit einer robotischen Mission das Rückkehr-Raumschiff hinzuschicken.“ Vor Ort soll mit entsprechender Technologie aus der Atmosphäre und dem Permafrostwasser Methangas und Sauerstoff erzeugt werden. Daran arbeitet die Vorhut, der emsige NASA-Rover "Perserverance".
Finanziert wird die Mission durch Industriepartner und ESA. Die Station wurde durch Abkommen zwischen Israels Raumfahrtagentur und dem ÖWF möglich. Das für das All zuständige Klimaschutzministerium ist bei begleitenden Bildungsprojekten an den Schulen nicht dabei – dafür sind die Wissenschaftsressorts auf Landesebene eingesprungen. Freiwillige aus 25 Nationen, darunter 200 Forscher, finanzieren sich die Teilnahme am Projekt selbst.
Wann landet Mensch am echten Mars? "Letztlich eine politische Entscheidung – wir gehen von den nächsten 20 bis 30 Jahren aus. Falls sich private Initiativen wie SpaceX früher durchsetzen, kann es schneller gehen", prophezeit Grömer. Bis es so weit ist, ist Üben angesagt.